29. August 2025
Am 31. August 2025 jährt sich der Geburtstag von Albertine Emma Rennebarth zum 180. Mal. Albertine wer…?! Der Name der kaiserlich-königlichen Kunstfeuerwerkerin ist auch in pyrotechnischen Fachkreisen nur wenigen geläufig. Und dennoch: Albertine Rennebarth ist eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Geschichte der Feuerwerkerei im deutschsprachigen Raum. Sie war die erste Frau, die die Prüfung zur Kunstfeuerwerkerin am königlich-preußischen Feuerwerks-Laboratorium ablegte. Damit ist sie vermutlich die erste staatlich geprüfte Pyrotechnikerin Deutschlands – und hatte erhebliche Signalwirkung für die Emanzipation der Frauen in der Pyrotechnik und weit darüber hinaus.
160 Jahre nach ihrem Debütfeuerwerk scheint die Feuerwerkerei vielen noch immer ein männlich dominiertes Feld zu sein. Der Eindruck trügt nicht: Von den rund 2.000 Mitgliedern im Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk e.V. (bvpk) geben nur 3% an, keine Männer zu sein (“weiblich” oder “divers”). Gleichzeitig gilt: Es gibt keine Tätigkeit und keinen Beruf, der per se einem bestimmten Geschlecht zuzuordnen wäre. Genauso wie Geschlechter selbst soziale Konstruktionen sind, sind es auch die Bilder, die wir von bestimmten gesellschaftlichen Feldern oder Berufen haben. Auch Interessen und Fertigkeiten werden weitestgehend durch gesellschaftliche Erwartungen geformt, nicht etwa durch ein angeborenes biologisches Geschlecht. Berufliche „Männerdomänen“ sind also das Ergebnis gesellschaftlich definierter Rollenbilder. Wenn wir diese Rollenbilder als solche erkennen und hinterfragen, führt dies zu Öffnung und Chancengleichheit.
Per se männlich ist auch die Pyrotechnik dementsprechend nicht. Ähnlich anderer Berufsfelder (z.B. das Handwerk, die Naturwissenschaften oder die Informatik), die lange männerdominiert waren, und es zum Teil auch heute noch sind, gilt es auch die Feuerwerkerei bewusst zu öffnen und zugänglicher für Menschen zu machen, die keine Männer sind. Dies bedarf der bewussten Anstrengung von Einzelpersonen, Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Organisationen wie dem bvpk.
Albertine Rennebarth musste sich ihrerzeit mit männlichem Chauvinismus und Macho-Kultur auseinandersetzen. Dabei triumphierte sie und überzeugte sowohl die Fachwelt als auch die breite Öffentlichkeit von ihren Fähigkeiten. Und so gibt es auch heute viele Personen, die sich nicht als Männer verstehen und erfolgreiche Pyrotechniker:innen sind. Diese Beispiele sind Inspiration und Vorbilder und können dabei helfen, die kontemporäre Feuerwerkerei offener, vielfältiger und damit zu einem noch schöneren Hobby und Beruf für zehntausende Menschen zu machen.
In diesem Sinne Gedenken wir der Pionier- und Lebensleistung der ersten Pyrotechnikerin Deutschlands. Wir bedanken uns dabei herzlich bei Christine Helm, die mit ihren Recherchen das Erinnern an Albertine Rennebarth erst ermöglicht und den Grundstein dafür legt, ihre Verdienste ins kollektive Gedächtnis zu bringen.
Wir schreiben das Jahr 1845. In Europa schreitet die Industrialisierung voran; der technische Fortschritt, vor allem in Bergbau und Verkehrswesen, beginnt Wirtschaft und Gesellschaft auch in den Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes zu verändern. Gleichzeitig führen der Niedergang älterer Gewerbezweige, Missernten und steigende Preise zu Armut und Hunger. Die politische Elite des Bundes unter Fürst von Metternich sieht sich zunehmend mit liberal-demokratischen, frühsozialistischen und nationalistischen Bewegungen konfrontiert.
Die Prachtfeuerwerke des Absolutismus, die den Herrschenden vor allem als Mittel zu Selbstinszenierung dienten, sind zu dieser Zeit bereits Geschichte. Pyrotechnik begleitet jedoch weiterhin festliche Anlässe; nun auch die des Bürgertums und der entstehenden Arbeiterklasse. Schaustellende tragen in dieser Phase entscheidend dazu bei, dass Feuerwerke für weite Teile der Bevölkerung erlebbar sind. Erste Manufakturen fertigen Kleinfeuerwerk an, welches zum Jahreswechsel und zu anderen Anlässen, etwa dem Geburtstag von Friedrich Wilhelm III., von der Bevölkerung abgebrannt wird. In der Regel folgen viele Feuerwerke jedoch nach wie vor dem barocken Prinzip, mit pyrotechnischen Stilmitteln historische oder mythologische Ereignisse nachzustellen. Mehr noch als heute wird die Feuerwerkerei als maskulines Berufsfeld wahrgenommen: Frauen sind in der Regel passive Zuschauerinnen; das Entwickeln, Aufbauen und Durchführen pyrotechnischer Darbietungen – also das aktive „Feuerwerken“ – obliegt den Männern.
Am 31. August wird Albertine Emma Rennebarth in der Berliner Linienstraße Nr. 115 als siebtes von acht Kindern des Schlossermeisters August Ludwig Rennebarth (1809-1865) und Margarethe geb. Huber (1809-1887) geboren. Schon in jungen Jahren zeigt Albertine ein ausgeprägtes Interesse an Technik, Mechanik und Chemie. Mit 14 Jahren beginnt sie eine sechsjährige Ausbildung bei einem erfahrenen Feuerwerker. Sie lernt nicht nur den sicheren Umgang mit Schwarzpulver und Effektsätzen, sondern auch die Dramaturgie eines gelungenen Feuerwerks. Im Rahmen der Ausbildung reist sie zum ersten Mal in ihre spätere Wahlheimat Magdeburg. Im Jahr 1865 schließt sie ihre Lehre mit einer erfolgreichen Examensprüfung vor der Artillerie-Kommission des königlich-preußischen Feuerwerks-Laboratoriums in Berlin Spandau ab – als erste Frau überhaupt.
Abbildung 1: Zeitgenössische Darstellung des Feuerwerkslaboratoriums auf der Insel Eiswerder, Berlin-Spandau (Postkarte gelaufen 1910)
Abbildung 2: Siegelmarke der Königl. Pr. Direction d. Feuerwerks-Laboratorium zu Spandau von ca. 1850 bis 1945
Am 12. September 1867 brennt Albertine Rennebarth ihr erstes öffentliches Feuerwerk in „Krug’s Garten“ am Berliner Landwehrkanal (damals: „Neuer Kanal“) ab. Eine Großanzeige in der Vossischen Zeitung kündigt sie explizit als „erste königlich geprüfte und concessionirte Kunst-Feuerwerkerin“ an. Hauptattraktion des Feuerwerks ist eine etwa zwölf Meter hohe rotierende Konstruktion, die vermutlich einer Kombination aus Kaleidoskop und Feuerwerksrad gleicht. Nachgestellt wird außerdem die Schlacht von Sadowa, bei der Preußen ein Jahr zuvor siegreich aus dem Deutsch-Deutschen Krieg gegen Österreich und seine Verbündeten hervorgegangen war. Zeitgenössische Berichte loben die Inszenierung insbesondere hinsichtlich der „lieblichen Farben“ und „prachtvollen Schwärmer“. Ihr Debüt verschafft Albertine Rennebarth erste Anerkennung in Fachkreisen und bestätigt sie darin, die Feuerwerkerei professionell weiterzuverfolgen.
Abbildung 3: Ankündigung von Albertine Rennebarths erstem öffentlichen Feuerwerk (Vossische Zeitung, Berlin 11.09.1867)
Ein Jahr später zieht Albertine nach Magdeburg, das als eine der bedeutendsten Festungsstädte Preußens gilt. Sie ist zu diesem Zeitpunkt 23 Jahre alt. Gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Johann Friedrich Anton Schwiegerling (1811-1889), einem Puppenspieler, Turmseilgänger, Kunstreiter, Parterreakrobat und Pyrotechniker aus der angesehenen Artistenfamilie Schwiegerling, betreibt sie hier ein ausgedehntes Geschäft mit Feuerwerkskörpern. Von Beginn an befinden sich darunter auch einzelne Feuerwerkskörper, die zum eigenständigen Abbrennen durch Privatpersonen vertrieben werden. Ihr erstes Magdeburger Feuerwerk brennt sie am 11. Mai im Schweizer Salon, dem späteren Konzerthaus, ab. Hier kommt es unmittelbar zum Wettbewerb mit dem ansässigen Feuerwerker Charles Marechal, welcher ihr – und allen Frauen – öffentlich die Fähigkeit abspricht, große Feuerwerke zu fertigen und abzubrennen.
Abbildung 4: Verlautbarung von Charles Marechal (Magdeburgische Zeitung 14.08.1868)
Albertine kündigt daraufhin ein weiteres Feuerwerk für den 31. August, ihren eigenen Geburtstag, an und fordert Marechal zum Wettbewerb heraus. Dieser stellt sich diesem Wettbewerb nicht. Albertine, hingegen, festigt auf diese Weise ihren Ruf als ernstzunehmende, selbstbewusste Künstlerin. Konkurrenz und Konfrontationen mit männlichen Pyrotechnikern, welche ihr mehr oder weniger unverhohlen, aufgrund ihres Geschlechts, die Fähigkeit zum Feuerwerken aberkannten, sind auch für die weiteren Jahre ihrer Karriere dokumentiert.
Abbildung 5: Albertine Rennebarth fordert Charles Marechal (Magdeburgische Zeitung 16.08.1868)
Eine Vielzahl von Zeitungsberichten aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeugen vom Erfolg der Albertine Rennebarth in der Ausübung ihrer pyrotechnischen Profession. Bis zum Beginn des Deutsch-Französischen Krieg im Mai 1870 sind rund 40 ihrer Feuerwerke in Magdeburg dokumentiert. Hier erreicht Albertine den Status einer lokalen Berühmtheit. Der Ausruf „Albertine, noch ’ne Jrine!“ [Albertine, noch eine grüne (Rakete)!] ist bei ihren Feuerwerken im Schweizer Salon/Konzerthaus, im Herrenkrug, dem Friedrich Wilhelms-Garten anderen Festplätzen allgegenwärtig. Sie engagiert sich für soziale Belange, indem sie regelmäßig Benefiz-Feuerwerke durchführt, deren Erlös Waisenhäusern oder Hinterbliebenen von Soldaten zugutekommt.
Abbildung 6: Gedicht "Albertine, noch ’ne Jriene" (Generalanzeiger Magdeburg 25.06.1904)
Im 1871 gegründeten Deutschen Kaiserreich unter Bismarck werden ihre Fähigkeiten auch außerhalb der Region nachgefragt. Daran änderte auch die ab 1873 eintretende Weltwirtschaftskrise wenig. So sind insbesondere für die späten 1870er und frühen 1880er Jahre mehr Feuerwerke in anderen Städten, unter anderem Bremen, Aachen, Stuttgart, München, Leipzig, Stettin und Breslau, dokumentiert als in Magdeburg. Presseberichte heben hervor, dass ihre Feuerwerke häufig als die besten der Saison gelten. Des Weiteren sind Reisetätigkeiten nach Kopenhagen, Amsterdam, Paris und Wien nachgewiesen. Es steht zu vermuten, dass Albertines Künste auch im Ausland nachgefragt werden. Die Tatsache, dass eine Frau pyrotechnische Glanzleistungen erbrachte, werden nun auch positiv konnotiert, so wie bspw. im Tagblatt aus Landshut vom 16. Juni 1877:
Abbildung 7: Zeitgenössische Einordnung des Wirkens Albertine Rennebarths Beitrag zur "Frauen-Emanzipation" (Kurier für Niederbayern/Tagblatt aus Landshut 16.06.1877)
Die Arbeit war nicht ohne Risiko: Eine Explosion im Jahr 1887 zerstört große Teile ihrer Ausrüstung und fordert das Leben einer Assistentin. Albertine, ihr Bruder und ein weiterer Angestellter tragen leichte Verbrennungen davon. Sie reist nun seltener durch das Kaiserreich und führt den Großteil ihrer Feuerwerke in Magdeburg durch. Am 17. Juli 1889 verliert Albertine ihren Geschäfts- und Lebenspartner Anton Schwiegerling. Er stirbt an einem Magen- und Darmkatarr im Alter von 78 Jahren.
1890 feiert sie ihr 25. Berufsjubiläum mit einem Benefiz-Feuerwerk in Magdeburg. Der Generalanzeiger und die Magdeburgische Zeitung bewerben dies wie folgt: „Die Leistungen der Dame, welche nicht nur hier, sondern auch in anderen großen Städten Deutschlands vortheilhaft bekannt sind, erfreuen sich in Magdeburg größter Beliebtheit, und im Laufe ihrer 25jährigen Thätigkeit ist Frl. Rennebarth unter der familiären Bezeichnung „Albertine“ bei Alt und Jung populär geworden. So dürfte, gutes Wetter vorausgesetzt, nächsten Donnerstag am Ehrenabend Frl. Rennebarth´s ein den Garten des Concert-Hauses bis auf den letzten Platz füllenden Publicum seine Sympathien der Künstlerin in herzlicher Weise zum Ausdruck bringen.“
Mit 51 Jahren (1896) leidet Albertine unter zunehmender Beeinträchtigung ihres Gehörs. Sie bleibt jedoch aktiv und unternimmt vereinzelt noch längere Reisen, etwa nach Dortmund, Giebichenstein bei Halle, Saale und Bromberg (heute Bydgoszcz). Am 05. Juli 1905 feiert sie ihr 40. Berufsjubiläum, einen Monat später, am 13. August, ihr 500. Feuerwerk.
Während des I. Weltkrieges (1914 – 1918) fanden keine Feuerwerksveranstaltungen statt. Viele der Etablissements wurden in Lazarette umfunktioniert. Welcher Beschäftigung Albertine in dieser Zeit nachging ist nicht bekannt. Ihr erstes Feuerwerk nach dem Krieg schießt sie, nun 74 Jahre alt, am 24. August 1919 im Kurort Bad Elmen bei Magdeburg. Im Juli 2021 kehrt sie an ihre alte Wirkungsstädte, das Konzerthaus in Magdeburg, zurück und schießt in den Sommermonaten mehrere Feuerwerke.
Abbildung 8: Gesellschaftsgarten Bremers Konzerthaus, Postkarte
Albertine Rennebarth verstirbt am 2. Januar 1922 in ihrer Magdeburger Wohnung in der Halberstädter Straße 16c im Alter von 76 Jahren an einer Lungenentzündung. Sie hat zu diesem Zeitpunkt mehr als 560 Feuerwerke geschossen – eine Leistung, die zu dieser Zeit auch unter männlichen Pyrotechnikern selten ist. Ein Nachruf im Generalanzeiger Magdeburg vom 6. Februar ehrt sie als „eine Persönlichkeit, die in ganz Deutschland durch ihre Meisterfeuerwerke bekannt war.“
Obwohl man in Zeitungsanzeigen oft von Albertine als „der bis jetzt ersten und einzig geprüften kaiserlich-königlichen Kunstfeuerwerkerin“ las, war sie nicht die einzige Frau, die zu ihrer Zeit als Kunstfeuerwerkerin tätig war. So begann eine weitere königlich-preußisch-konzessionierte Kunstfeuerwerkerin namens Ida Catharine Rosamunde Schiltsky, geb. Kuschwitz (1826-1901) nachweislich kurze Zeit nach Albertine ihre Laufbahn. Aufgrund ihres Erfolgs und ihrer überregionalen Popularität muss Albertine Rennebarth jedoch als Wegbereiterin für die Feuerwerkerinnen ihrer und vieler folgender Generationen angesehen werden.
Auch 2025 ist das Versprechen der Gleichberechtigung der Geschlechter nicht eingelöst - das belegen verschiedenste Zahlen zu Berufstätigkeit, Einkommen und Erziehung. Gleichzeitig gefährden neokonservative bis neurechte Bewegung Errungenschaften eines ganzen Jahrhunderts. Die Feuerwerkerei haben diese Errungenschaften nur sehr bedingt erreicht: Sie ist auch 150 Jahre nach Albertine Rennebarths Geburt ein stark männlich dominiertes Feld. Das Vermächtnis der vermutlich ersten Feuerwerkerein Deutschlands bleibt Auftrag, die Ausschlussmechanismen, die diese Dominanz begründen, zu untersuchen und aktiv zu sein für eine offenere, inklusivere und damit lebenswertere Feuerwerkskultur.
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