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Wie in nahezu allen europäischen Ländern ist privates Feuerwerk in Deutschland eine seit Generationen etablierte Kulturpraktik und fester Bestandteil des Brauchtums zum Jahreswechsel.
In den letzten Jahren stand Silvesterfeuerwerk im Fokus einer verstärkten gesellschaftlichen Debatte. Dabei werden einerseits Forderungen laut, die Verwendung von privatem Silvesterfeuerwerk einzuschränken, andererseits die Regulierung von Silvesterfeuerwerk weiter zu liberalisieren.
Mit seinen überwiegend restriktiven Regeln schafft die bisherige Gesetzgebung einen Interessenausgleich zwischen jenen Bürgern:innen, denen die Verwendung von Feuerwerk am Herzen liegt und jenen, die sich durch Feuerwerk gestört fühlen.
Dies zeigt sich insbesondere in dem Umstand, dass die Verwendung von Silvesterfeuerwerk der Kategorie F2 ganzjährig untersagt ist und lediglich an zwei Tagen im Jahr (31. Dezember und 1. Januar, also de facto in einer Nacht im Jahr) erlaubt ist.
Weitere Einschränkungen von Feuerwerk der Kategorie F2 wären weder geeignet, erforderlich noch angemessen, um die mitunter propagierten Ziele von Befürworter:innen weiterer Einschränkungen von Feuerwerk der Kategorie F2 zu erreichen.
Der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk e.V. lehnt weitere Einschränkungen von Feuerwerk der Kategorie F2 ab und fordert:
Ein konsequentes Vorgehen gegen den Missbrauch von Feuerwerk aller Kategorien sowie den illegalen Vertrieb und Gebrauch von Feuerwerk der Kategorien F3 und F4.
Eine stärkere Aufklärung von Öffentlichkeit und Kommunen über die bestehenden Rechtsvorschriften zum Gebrauch von Silvesterfeuerwerk sowie den bestehenden Möglichkeiten zu dessen Einschränkung.
Die nationale Gesetzgebung stärker an die mit der EU-Richtlinie 2013/29/EU intendierte Harmonisierung der Rechtsvorschriften zur Bereitstellung pyrotechnischer Gegenstände anzupassen.
Die gesellschaftliche Debatte um Silvesterfeuerwerk zu versachlichen und auf eine breitere empirische Evidenzgrundlage zu stellen.
Feuerwerk markiert seit Jahrhunderten die Höhepunkte festlicher Anlässe auf allen Kontinenten, so auch in Europa und Deutschland. Dies gilt für Stadtfeste, Sportveranstaltungen und Konzerte genauso wie für die privaten Wendepunkte des Lebens wie Geburtstage, Hochzeiten und den Jahreswechsel. Feuerwerk selbst zu gestalten, birgt insbesondere zu Silvester für viele Menschen eine besondere Faszination und ist fester Bestandteil der Traditionen zum Jahreswechsel.
Seit geraumer Zeit werden von verschiedenen Seiten Rufe laut, die ohnehin restriktiven Regeln zur Verwendung von Feuerwerk weiter zu verschärfen; dies gilt insbesondere für das jährliche Silvesterfeuerwerk. Andere Stimmen hingegen fordern eine weitere Harmonisierung des deutschen Sprengstoffrechts mit dem EU-Recht. Aktuell wird durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) eine Novellierung des Sprengstoffgesetzes (SprengG), in dem auch die Verwendung von Silvesterfeuerwerk reguliert wird, vorbereitet.
Vor diesem Hintergrund äußert sich der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk e.V. (bvpk) zu einer möglichen Änderung der Regulierung von Verkauf und Verwendung insbesondere von Silvesterfeuerwerk der Kategorie F2. Besondere Beachtung finden hierbei aktuelle Vorschläge zu Einschränkungen von Silvesterfeuerwerk und deren möglichen Konsequenzen.
Die Richtlinie 2013/29/EU des Europäischen Parlaments zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung pyrotechnischer Gegenstände stellt europaweite Regelungen zur Kategorisierung, Herstellung und Zulassung von Feuerwerk auf.1 Die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht erfolgt in Deutschland durch das Sprengstoffgesetz (SprengG)2 und die dazugehörigen Verordnungen. § 3a (1) SprengG unterscheidet vier Kategorien von Feuerwerkskörpern:
Kat. |
Def. |
Beispiele |
Mindest-alter |
Erlaubnisschein erforderlich |
F1 |
sehr geringe Gefahr |
Tischfeuerwerk, Wunderkerzen, Bodenwirbel |
12 |
nein |
F2 |
geringe Gefahr |
Silvesterfeuerwerk, Raketen, Batterien, Knallkörper |
18 |
nein |
F3 |
mittlere Gefahr |
Raketen, Batterien, Knallkörper |
18 |
ja |
F4 |
große Gefahr |
Großfeuerwerk, Feuerwerkskugeln |
21 |
ja |
Feuerwerkskörper der Kategorie F1 dürfen ganzjährig an Personen ab 12 Jahren abgegeben und von diesen verwendet werden.3 Die Abgabe von Feuerwerkskörpern der Kategorie F2 ist ganzjährig verboten. Lediglich an den letzten drei Geschäftstagen eines Kalenderjahres (i.d.R. 29. - 31. Dezember) ist die Abgabe an volljährige Personen gestattet.4 Auch die Verwendung von Feuerwerkskörpern der Kategorie F2 ist ganzjährig untersagt, nur am 31. Dezember und 1. Januar ist sie Personen ab 18 Jahren gestattet.5 Umgangssprachlich wird diese Kategorie daher als Silvesterfeuerwerk bezeichnet. Die Verwendung außerhalb dieses Zeitraums setzt die Ausnahmegenehmigung kommunaler Behörden oder den Besitz eines Befähigungsscheins voraus.6 Feuerwerkskörper der Kategorien F3 und F4 dürfen ausschließlich von Inhaber:innen eines Erlaubnis- oder Befähigungsscheins abgebrannt werden.
Generell untersagt bleibt das Abbrennen von Feuerwerkskörpern in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden und Anlagen.7 Darüber hinaus gibt die 1. SprengV den Kommunen weitere Möglichkeiten zur Einschränkung der Verwendung von Silvesterfeuerwerk. So kann die zuständige Behörde allgemein oder im Einzelfall anordnen, dass Silvesterfeuerwerk
in der Nähe von Gebäuden oder Anlagen, die besonders brandempfindlich sind und
mit ausschließlicher Knallwirkung (Knallkörper bzw. Böller) in bestimmten dichtbesiedelten Gebieten oder Teilen von Gemeinden zu bestimmten Zeiten
nicht abgebrannt werden darf.8
Laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) wird diese Regelung von den Kommunen kaum angewendet.9 Ob und in welchem Umfang die Kommunen von diesen Möglichkeiten der Einschränkung Gebrauch machen, war z.B. 2020 Gegenstand einer Befragung der Bundesregierung im Bundestag.10 Gem. der Antwort des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) liegen der Bundesregierung keine Zahlen hierzu vor. Dem Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk sind nur sehr wenige Beispiele bekannt, in denen die Kommunen von den Verbotsmöglichkeiten der 1. SprengV Gebrauch machen.
In den letzten Jahren waren der vorsätzliche Missbrauch von Feuerwerkskörpern der Kategorie F2 zu Silvester sowie der illegale Vertrieb von Feuerwerkskörpern der Kategorien F4 verstärkt in den Medien präsent. Wie die Europäische Kommission feststellt, gelangen immer wieder Feuerwerkskörper der Kategorie F4, die nur für den professionellen Gebrauch bestimmt sind, in die Hände von Anwender:innen ohne entsprechende Erlaubnis und Befähigung für deren Verwendung.11 Von Feuerwerkskörpern der Kategorie F4 geht eine “große Gefahr” aus und die unprofessionelle Handhabung dieser Feuerwerkskörper kann zu erheblichen Verletzungen oder Sachenschäden führen. Auch der mitunter weit über den gesetzlichen Grenzwerten liegende Schallpegel dieser Feuerwerkskörper trägt dazu bei, den Brauch des Silvesterfeuerwerks in Misskredit zu bringen. Des Weiteren ist zu beobachten, dass Schallerzeuger der Kategorie P1 vermehrt zu Vergnügungs- statt zu technischen Zwecken in Verkehr gebracht und verwendet werden.
In diesem Kontext wurden in den letzten Jahren in einigen Großstädten (z.B. Berlin und München) Verbotszonen für das Abbrennen und Mitführen von Feuerwerk für einzelne Straßen und Plätze verhängt. Vor der Covid-19-Pandemie erfolgte dies auf Grundlage des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts der jeweiligen Länder. Dieses ermöglicht ordnungsrechtliche Allgemeinverfügungen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit zu erlassen. Begründet wurden die Verbotszonen im Wesentlichen mit dem wiederholten vorsätzlichen Missbrauch von Pyrotechnik und der daraus resultierenden Notwendigkeit eines “Schutzes der Rechtsordnung” sowie Verletzungen durch Feuerwerkskörper und einem daraus resultierenden “Schutz von Leben und Gesundheit von Personen”. Die Rechtskonformität dieser Verbotszonen kann in mindestens zweierlei Hinsicht als umstritten eingeordnet werden: So kommt dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung im Bereich des Sprengstoffrechts zu (Art. 73 I Nr. 12 GG sowie §51 (1) Nr. 4 SprengG); das Sprengstoffgesetz und seine Verordnungen gelten als abschließend. Landesrechtliche Vorschriften zum Verbot der Verwendung von Feuerwerkskörpern würden demnach gegen die alleinige Gesetzgebungskompetenz des Bundes verstoßen. Diese Rechtsauffassung wurde zuletzt 2016 vom Verwaltungsgerichtshof Kassel bestätigt.12 Weiterhin gilt als fraglich, ob in den jeweiligen Fällen die Voraussetzungen für ein Tätigwerden zum Zweck der Gefahrenabwehr vorliegen. Hierfür müsste eine bestehende „Gefahr für die öffentliche Sicherheit” vorliegen.1314 Dies ist insbesondere fraglich, da von zugelassenen Feuerwerkskörpern der Kategorie F2 gem. Definition des Gesetzgebers lediglich eine “geringe Gefahr” ausgeht. Dem bvpk ist nicht bekannt, ob bisher Klageverfahren gegen die Abbrennverbote von Silvesterfeuerwerk auf Grundlage des allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsrecht angestrengt wurden.
Zu den Jahreswechseln 2020/21 und 2021/22 wurde durch die Bund-Länder-Runde ein Verkaufsverbot von Silvesterfeuerwerk der Kategorie F2 beschlossen und durch eine kurzfristige Änderung von §22 (1) 1. SprengV umgesetzt. Darüber hinaus beschlossen mehrere Länder sowie Kommunen ein Verbot der Verwendung von Silvesterfeuerwerk der Kategorie F2. Rechtsgrundlage hierfür waren das Infektionsschutzgesetz in Verbindung mit der Corona-Schutzverordnung des jeweiligen Bundeslandes. Begründung für beide Maßnahmen war die angestrebte Entlastung des Gesundheitssektors durch das Vermeiden von Neuinfektionen mit dem Corona-Virus sowie durch das Vermeiden von Unfällen durch Feuerwerk. In Anbetracht des Umstands, dass das Abbrennen von privatem Feuerwerk nicht per se mit Menschenansammlungen einhergeht und Verletzungen durch Feuerwerk nur in geringstem Maße zu vollen Notaufnahmen an Silvester beitragen (vgl. Abschnitt 3.1e), war diese Maßnahme äußerst umstritten. Mehrere Klagen sind gegen das Verbot anhängig. Der bvpk hat zu den Verboten im Kontext der Corona-Pandemie ausführlich Stellung genommen.15
Gegenwärtig ist Feuerwerk Gegenstand einer gesellschaftlichen Debatte, die insbesondere um den Jahreswechsel auch medial präsent ist. Ursache hierfür sind von einzelnen zivilgesellschaftlichen Akteuren seit 2018 geführte Kampagnen mit dem Ziel, die Verwendung von Feuerwerk insbesondere zu Silvester einzuschränken oder gänzlich zu verbieten. Ausgangspunkt für die vermehrte Kritik am Silvesterfeuerwerk waren irrtümlich zu hohen Berechnungen der damit einhergehenden Feinstaubemissionen durch das Umweltbundesamt (UBA).16 Eine angeblich schwerwiegende Beeinträchtigung der Luftreinheit war lange Zeit Hauptargument für weitere Einschränkungen und Verbote. Die im Kontext der Covid-19-Pandemie ergangenen Überlassungsverbote für Silvesterfeuerwerk 2020 und 2021 haben die Debatte zusätzlich befeuert und die vermeintlich hohe Anzahl von Verletzungen durch Feuerwerk in den Fokus gerückt.
Nach wie vor bedienen sich die Kampagnen verschiedener Argumente, die mitunter wissenschaftlicher bzw. empirischer Grundlage entbehren oder sogar in Widerspruch zum Stand der Forschung stehen. Des Weiteren wird der gesellschaftliche und kulturelle Wert von Silvesterfeuerwerk weitestgehend ausgeblendet. Die Reduktion der ästhetischen Vielfalt von Pyrotechnik auf Knallkörper und die damit einhergehende Banalisierung als “Böllerei” sind nur zwei der dabei wiederkehrenden Motive. Auch die moralische Diskreditierung von Feuerwerk als “Verschwendung” und die Verneinung seines Stellenwerts als Brauchtum und Kulturgut sind Figuren eines negativen Framings des erlaubnisfreien Feuerwerks. Verschiedene Argumente aus den beiden Diskurssträngen “Umwelt” und “Kultur”, werden daher im Folgenden einer sachlichen Einordnung unterzogen.
Aktuelle, vom UBA publizierte Messergebnisse, belegen, dass die jährlichen Feinstaubemissionen aus Feuerwerk nicht einmal halb so groß sind wie ursprünglich angenommen.17 Insgesamt trägt Silvesterfeuerwerk 0,7% zu den jährlichen Feinstaubemissionen in Deutschland bei.18 Laut UBA ist dies kein entscheidender Faktor für die mittelfristige Beeinträchtigung der Luftreinheit.19
Auch die kurzzeitige Beeinträchtigung der Luftreinheit durch Feinstaub aus Feuerwerk wird gemeinhin überschätzt. Silvesterfeuerwerk sorgt zwar, vor allem in Ballungsräumen, in den ersten Stunden nach dem Jahreswechsel für hohe Feinstaubkonzentrationen. Im Durchschnitt sinkt diese jedoch bis Tagesanbruch wieder auf Normalniveau.20 Gesundheitliche Beeinträchtigungen dürften daher nur in Ausnahmefällen auftreten. Folgerichtig sind Feuerwerksverbote aus Gründen der Luftreinhaltung auch nach Einschätzung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) nicht zu rechtfertigen.21
Der Vollzug zur Sicherstellung der Einhaltung der Luftqualitätsgrenzwerte obliegt den zuständigen Behörden vor Ort, und diese haben gegebenenfalls zu entscheiden, ob weitere Maßnahmen zur Verringerung der Feinstaubbelastung zu ergreifen sind. Aus Sicht der Bundesregierung [...] gibt es keine Notwendigkeit, hier Regelungen zu Silvesterfeuerwerken zu treffen.
Florian Pronold, Staatssekretär im BMU 2019
Von erlaubnisfreiem Feuerwerk dürfen laut § 3a (1) SprengG ausschließlich geringe Gefahren ausgehen. Dies wird anhand höchster Qualitäts- und Sicherheitsstandards durch das Bundesamt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und andere akkreditierte Stellen in der EU sichergestellt.22 Bei sachgemäßer Verwendung ist eine Gefährdung somit nahezu ausgeschlossen. Anders als von Befürworter:innen der Einschränkungen von Silvesterfeuerwerk dargestellt und auch von der Bundesregierung als Begründung der Verkaufsverbote 2020 und 2021 angeführt, deuten auch die verfügbaren empirischen Daten darauf hin, dass Feuerwerk bei 2-3 Verletzungen/100.000 Einwohner:innen keine signifikante Belastung für das Gesundheitssystem darstellt.23/24 Angesichts der bestehenden behördlichen Prüfungen ist davon auszugehen, dass der Großteil dieser Verletzungen auf unsachgemäße Verwendung, gefährliche Eigenlaborate oder illegal vertriebene Feuerwerkskörper der Kategorien F3 und F4 zurückzuführen ist - ein Phänomen, welches sich nicht durch weitere Einschränkungen des legalen und geprüften Silvesterfeuerwerks verhindern lässt.25 Auch aus dem Gesundheitssektor selbst ist immer wieder zu hören, dass Feuerwerk nicht der Grund für volle Notaufnahmen an Silvester ist.26/27
Diejenigen, die sich beim Böllern verletzen, machen in der Regel nicht die hohen Zahlen in den Notaufnahmen aus. Es sorgen eher diejenigen für Krankenhauseinweisungen, die zu viel Alkohol trinken und dann in Streit geraten oder sich in anderer Weise verletzen.
Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft 2020
In Feuerwerkskörpern kommen kohlenstoffbasierte Materialien aus fossilen und erneuerbaren Quellen zum Einsatz. Beim Abbrand wird somit Kohlenstoffdioxid (CO2) freigesetzt. Je nachdem ob man die fossilen oder die nicht fossilen CO2-Emissionen aus Feuerwerk betrachtet, entsprechen diese einem Anteil von 0,0001 bzw. 0,0003% an den jährlichen Treibhausgasemissionen Deutschlands.28 Laut UBA sind CO2-Emissionen aus Feuerwerk daher “von geringer Bedeutung”.29
Impulsartiger Lärm kann ein Störimpuls für Wild- und Haustiere sein. Zu langfristigen Beeinträchtigungen des Tierwohls durch Feuerwerk gibt es kaum wissenschaftliche Evidenz. Im Gegenteil belegen die verfügbaren Studien (i. d. R. zu Hunden und Vögeln) eine Rückkehr zum Normalverhalten innerhalb weniger Stunden nach dem Jahreswechsel.30 Der mit Silvesterfeuerwerk einhergehende Ruheverlust von 10 bis 20% des üblichen Nachtschlafs wird in aller Regel problemlos kompensiert.31
Baukörper und Verpackungen von Silvesterfeuerwerk sind zu 90% biologisch abbaubar. Ihr durchschnittlicher Anteil an der jährlichen Abfallmenge eines Haushalts in Deutschland beläuft sich auf etwa 0,05%.32 Hersteller:innen und Importeur:innen pyrotechnischer Gegenstände entwickeln vermehrt Produkte, die gänzlich auf den Einsatz von Plastikteilen verzichten.33 Die für die Produktion von Feuerwerk geltenden Verordnungen und Industrienormen schließen die Verwendung toxikologisch problematischer Substanzen aus.34 Auch die beim Abbrand von Feuerwerk entstehenden Reaktionsprodukte sind in den vorliegenden Mengen unbedenklich.35
Der Jahreswechsel markiert einen gesellschaftlich definierten Wendepunkt im Leben der Menschen. Dieser ist Anlass, das vergehende Jahr mit seinen guten und schlechten Momenten zu rekapitulieren und mit Hoffnung in die Zukunft zu blicken. Die Bewältigung und Überwindung von Sorgen und Ängsten steht daher seit jeher im Mittelpunkt des Neujahrsfests. Bereits im vorchristlichen Europa wurden stellvertretend dafür “böse Geister” mit Lärm und Feuer vertrieben. Auch in einem stark säkularisierten Europa besteht diese Funktion fort. Die Feiernden versicheren sich dabei auch ihrer Selbstwirksamkeit: Wer Feuer und Lärm verursachen und kontrollieren kann, ist auch für die Zukunft gewappnet.36 Auch die ersten in China erfundenen Feuerwerkskörper dienten diesem Zweck, ehe die Pyrotechnik im 13. Jahrhundert zu Unterhaltungszwecken in Europa eingeführt wurde.37 Die Leucht- und Knalleffekte des Silvesterfeuerwerks verkörpern nach wie vor das Wechselspiel zwischen Furcht, Hoffnung und Freude. Es steht somit in der Tradition der vorchristlichen “Rauhnächte” und ist zugleich Erfolgsbeispiel für die Integration fremder Kulturelemente in unser Brauchtum.
In Renaissance und Barock diente Feuerwerk vorwiegend der Selbstinszenierung feudaler Herrscher:innen und der höfischen Unterhaltung. Die Nutzung von Pyrotechnik war den Mächtigen vorbehalten und untermalte ihren Status – eine Tradition symbolischer Herrschaft, die bis in heutige Demokratien wirkt. Mit der industriellen Revolution kommt es jedoch auch zur Fertigung von erschwinglichem Kleinfeuerwerk - und somit zur Aneignung des feudalen Privilegs Feuerwerk durch weite Teile der Bevölkerung.38Diese Demokratisierung eines sublimen Herrschaftssymbols birgt ein zutiefst emanzipatorisches Moment. Der Jahresabschluss ist ein gesellschaftlich akzeptierter Anlass zur Würdigung der Leistungen und Entbehrungen des endenden Jahres. Dies geschieht durch verschiedene Rituale, die das Besondere markieren. Dazu gehört neben glamourösen Garderoben und Champagner auch Feuerwerk. Während es seinen Charakter als Luxusgut weitgehend erhalten hat, ist Silvesterfeuerwerk heute für alle Einkommensgruppen erschwinglich und dementsprechend populär.
Das gesellschaftliche Zusammenleben wird durch sozial definierte Verhaltensnormen reguliert. Obwohl über deren Sinn und Notwendigkeit weitgehender Konsens besteht, verfügt jede Gesellschaft über rituelle Anlässe zum Ausbruch aus Rationalität und Alltag. Karneval oder Fasching und auch Silvester sind solche Momente kollektiver Ausnahme. In vielen Teilen der Welt werden diese über das Medium Feuerwerk realisiert oder gestützt.39 Die Beweggründe sind dabei vielfältig: Für manche ist es eine seltene Gelegenheit, laut und ausgelassen sein zu dürfen.40 Für andere sind die flüchtigen, überraschenden Illuminationen Teil einer persönlichen Inszenierung. In diesem gleichermaßen individuellen wie kollektiven Rahmen entsteht ein für alle Bürger:innen zugänglicher Resonanzraum und ein gemeinsames Kunstwerk. Dieses schafft schließlich auch ein besonderes Gefühl der Zusammengehörigkeit auch mit fremden Menschen. Die Menschen schauen mit gleichen Erwartungen in den Nachthimmel und warten auf das neue Jahr. Das erlaubnisfreie Feuerwerk gibt Anlass zur Begegnung und die Übermittlung guter Wünsche. Ob in der Stadt oder auf dem Land, Silvesterfeuerwerk schafft eine Öffentlichkeit, einen gemeinsamen Grund und eine höhere Bedeutung.
Silvesterfeuerwerk prägt seit Generationen die kollektive Zäsur des Jahreswechsels in Deutschland und vermittelt den Bürger:innen ein Gefühl der Kontinuität. Ganz gleich welchen Aspekt des gesellschaftlichen Stellenwerts von Silvesterfeuerwerk man betrachtet - gleichermaßen Voraussetzung und Folge ist immer die Möglichkeit zur aktiven Teilhabe.
Im Folgenden nimmt der bvpk Stellung zu den Forderungen, die Verwendung von Silvesterfeuerwerk einzuschränken. Dabei wird zunächst auf generelle Aspekte von Verboten oder Einschränkungen eingegangen, sodann werden die zu erwartenden Konsequenzen der konkreten Forderung, die Entscheidung über Silvesterfeuerwerk an die Kommunen zu delegieren, beschrieben und kommentiert.
Jeder gesetzgeberischer Eingriff in Grundrechte wie der allgemeinen Handlungsfreiheit bedarf der Verhältnismäßigkeit und muss demnach geeignet, erforderlich und angemessen sein, um andere Rechtsgüter zu schützen. Eine weitere Einschränkung von erlaubnisfreiem Feuerwerk widerspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Übermaßverbot.
Mit einer Einschränkung bzw. einem Verbot von Silvesterfeuerwerk der Kategorie F2 würde eine wichtige kulturelle Praktik und Tradition gefährdet bzw. schlicht verboten (vgl. Abschnitt 3.3). Dies wäre ein gravierender Eingriff in den besonderen und außergewöhnlichen Charakter der Festivität des Jahreswechsels, dem einzigen Moment im Verlauf des Jahres, in dem die Verwendung von Feuerwerk der Kategorie F2 der Öffentlichkeit im Allgemeinen erlaubt ist. Eine Einschränkung wäre dementsprechend nicht angemessen.
Anders als von Befürworter:innen der Einschränkungen propagiert wird, belastet Silvesterfeuerwerk der Kategorie F2 die Umwelt in Hinsicht auf Emissionen von Feinstaub, CO2, Lärm und Abfall nicht in signifikantem Umfang. Einschränkungen oder Verbote würden zum Erreichen der propagierten Ziele dementsprechend keinen wesentlichen Beitrag leisten. Sie sind demnach nicht geeignet, die entsprechenden Ziele zu erreichen.
Den besonderen Moment des Jahreswechsels mit eigenem Feuerwerk zu begehen, hat für viele Menschen einen hohen Stellenwert. Gleichzeitig wird auch im öffentlichen und medialen Diskurs immer sichtbarer, dass Verbote von Feuerwerk keinen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz leisten können. Es ist daher zu befürchten, dass die Einschränkung dieses Brauchs die Akzeptanz von Maßnahmen, die einen tatsächlichen Beitrag zum Schutz der Umwelt leisten, negativ beeinflussen würde.
Auch eine spürbare Entlastung des Gesundheitssystems wäre durch Einschränkungen und Verbote von Silvesterfeuerwerk der Kategorie F2 nicht zu erwarten (vgl. Abschnitt 3.1b). Auch in dieser Hinsicht sind Einschränkungen nicht geeignet, um die propagierten Ziele zu erreichen. Von frei verkäuflichen Feuerwerkskörpern geht eine “sehr geringe” bis “geringe Gefahr” aus41, weshalb schwere Verletzungen selbst bei missbräuchlicher Verwendung nahezu ausgeschlossen sind. Anders verhält sich dies bei rechtswidrigen Eigenlaboraten und Importen von nicht zugelassenem Feuerwerk. Diese können durch Einschränkungen oder Verbote von Silvesterfeuerwerk der Kategorie F2 nicht eingedämmt werden. Im Gegenteil ist eine Zunahme des Problems wegen eines entsprechenden Ausweichverhaltens zu erwarten.
Im Rahmen der Innenministerkonferenz im Juni 2022 stellte das BMI fest, dass weder in der Bevölkerung noch in den Ländern oder Parteien eine klare Mehrheit für weitere Verbote des erlaubnisfreien Feuerwerks erkennbar sei.42 Mit den bestehenden Regelungen schafft das geltende Sprengstoffrecht einen Ausgleich zwischen den Interessen jener Bürger:innen, die Feuerwerk verwenden möchten, und jenen, die dies aus unterschiedlichen Gründen ablehnen. Darauf hat auch das BMI wiederholt hingewiesen.43 Mit der für Privatpersonen geltenden Beschränkung der Verwendung von Feuerwerk der Kategorie F2 auf eine einzige Nacht im Jahr, fällt die damit verbundene Abwägung bereits jetzt zulasten der erstgenannten Personengruppe aus. Eine weitere Einschränkung der Verwendung von Feuerwerk der Kategorie F2 wäre demnach auch nicht angemessen.
Das geltende Sprengstoffrecht mit seinen überwiegend restriktiven Regelungen schafft einen Ausgleich zwischen den Wünschen der Bürger, die Feuerwerk verwenden möchten, und denen, die sich hierdurch gestört fühlen oder Schäden befürchten.
Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat im dt. Bundestag, 202044
Auch im Vergleich zu den europäischen Nachbarländern ist Deutschland bei der Regulierung von Feuerwerk bereits jetzt sehr restriktiv. Wichtige Bestandteile der bereits 2007 mit der Richtlinie 2007/23/EG beschlossenen EU-Harmonisierung des Gebrauchs von Pyrotechnik sind in Deutschland deutlich restriktiver umgesetzt als die Richtlinie vorsieht.45 Die aktuell geltende Richtlinie 2013/29/EU sieht z.B. für Raketen der Kategorie F2 eine Beschränkung der Nettoexplosivstoffmasse auf 75g vor.46 Das SprengG begrenzt z.B. die Satzmenge erlaubnisfreier Raketen hingegen auf lediglich 20g Nettoexplosivstoffmasse.47 Anders als in anderen EU-Ländern dürfen Feuerwerkskörper der Kategorie F3 in Deutschland nur an Personen mit Erlaubnis- und/oder Befähigungsschein überlassen und von diesen verwendet werden. Nicht zuletzt ist das Verwenden von Feuerwerk der Kategorie F2 in vielen EU-Mitgliedsstaaten (z.B. Österreich, Spanien, Tschechien und Italien) ganzjährig erlaubt. Weitere Einschränkungen der freien Verwendung von Feuerwerk würden die Bemühungen um einheitliche Rahmenbedingungen in Europa untergraben.
Immer wieder bringen Befürworter:innen von Einschränkungen von Silvesterfeuerwerk zentrale Veranstaltungen mit professionell durchgeführten Feuerwerken, Drohnen- oder Lasershows als Ersatz für das selbstorganisierte Feuerwerk ins Spiel. Diese Forderungen verkennen das Wesen des selbst geplanten und abgebrannten Feuerwerks und seinen emanzipatorischen Charakter (vgl. Abschnitt 3.3). Darüber hinaus verfehlt die Forderung ihre umweltpolitischen Intentionen und ignoriert wesentliche Unterschiede zwischen Ballungsgebieten und ländlichen Kommunen. Zentrale Veranstaltungen erhöhen das Verkehrsaufkommen und dürften damit zu einem höheren Ausstoß von CO2 und Feinstaub führen, als das dezentrale, erlaubnisfreie Feuerwerk. Anfahrtswege sind insbesondere in ländlichen, flächigen Kommunen lang und intensiv umweltbelastend, sofern diese mit dem eigenen PKW zurückgelegt werden. Darüber hinaus ist die tatsächliche Durchführung von zentralen Veranstaltungen aus Kosten- und Praktikabilitätsgründen äußerst fraglich. Insbesondere Drohnenshows sind für viele Kommunen schlicht nicht leistbar.48 Auch die oft propagierte Annahme, dass diese einen geringeren Umwelteinfluss hätten als Feuerwerk, ist mindestens fraglich. Die einzelnen Drohnen werden als Verschleißteile betrachtet, in denen in Platinen seltene Erden verbaut werden und die durch giftige Akkus angetrieben werden. Defekt und / oder Absturz sind häufig.49 Anders als bei Feuerwerk, dessen Reststoffe zu 90% biologisch abbaubar und ungiftig sind, gelangen mit abgestürzten Drohnen so Plastikteile und giftige Akkus in die Umwelt. Insbesondere bei einem Absturz über Gewässer ist eine Bergung meist ausgeschlossen und die Umweltwirkung enorm.
Weitergehende Einschränkungen bzw. ein Verbot von Silvesterfeuerwerk würden die pyrotechnische Branche hart treffen. Während ein großer Teil des Silvesterfeuerwerks über den Lebensmitteleinzelhandel, Baumärkte, etc. vertrieben wird, hat sich in den vergangenen Jahren ein wachsender Fachhandel gebildet. Viele der entsprechenden Betriebe sind traditionelle Feuerwerkereien, die unterjährig Feuerwerke durchführen und zum Jahresende über Onlinehandel oder Ladengeschäfte ausgewähltes Silvesterfeuerwerk vertreiben. Ermöglicht wurde dies durch die EU-Harmonisierung und die damit verbundene Erweiterung des Angebots durch Hersteller:innen und Importeur:innen im europäischen Ausland sowie das gestiegene Qualitätsbewusstsein vieler Kund:innen. Hier wird immer öfter auf “Klasse statt Masse” gesetzt und höhere Preise werden für hochwertige Produkte in Kauf genommen. Dies hat auch zur Folge, dass in Deutschland als Produktionsstandort investiert und vermehrt Feuerwerk hergestellt wird. Dabei wird meist an alte Handwerks- und Herstellungstraditionen angeknüpft, die dazu beitragen, Feuerwerk als Kunsthandwerk und Kulturgut zu bewahren.50 Bei den meisten dieser Betriebe handelt es sich um Kleinst- und Kleinunternehmen. Durch die äußerst kurzfristig verhängten Verkaufsverbote im Kontext der Covid-19-Pandemie stehen viele der Fachbetriebe am Rande ihrer Existenz.
Ziel zweier konkreter gesetzgeberischen Initiativen war, eine Ermächtigungsgrundlage für die Kommunen zu schaffen, welche diesen erlaubt, die Verwendung von Feuerwerk in den jeweiligen Gebietskörperschaften auch gänzlich zu untersagen.51/52 Die Ermächtigung der Kommunen, über Silvesterfeuerwerk zu entscheiden, birgt verschiedene rechtliche und materielle Probleme, die im Folgenden dargestellt werden.
Die Delegation der Entscheidung über Silvesterfeuerwerk an die Kommunen würde absehbar zu einem äußerst kleinteiligen kommunalen Flickenteppich führen. Dieser Flickenteppich wäre sowohl räumlichen als auch zeitlichen Charakters: So wäre es möglich, dass einige Kommunen die Verwendung von Silvesterfeuerwerk gänzlich untersagen. Andere Kommunen würden die Verwendung nur auf bestimmten Flächen untersagen (Verbotszonen) und wieder andere Kommunen könnten komplementär dazu die Verwendung ausschließlich auf dafür designierten Flächen erlauben. Auch hinsichtlich der zeitlichen Regelungen ist mindestens mit verschiedenen Reglementierungen pro Kommune zu rechnen.
In Anbetracht dieses kaum zu überschauenden, zeitlichen und räumlichen Flickenteppichs wäre damit zu rechnen, dass es – vor allem ungewollt – zu häufigen Verstößen gegen diese Regelungen käme. Fraglich wären vor diesem Hintergrund Umsetzbarkeit und Durchsetzbarkeit der Regelungen. Der Erlass der entsprechenden Regelungen bedeutet für die kommunalen Verwaltungen einen Mehraufwand, zu dem diese nach Kenntnisstand des bvpk nicht befragt wurden.53 Wegen des äußerst hohen Alkoholkonsums und damit einhergehenden Streitigkeiten und Unfällen sind Polizei und kommunale Ordnungskräfte in der Silvesternacht stark ausgelastet. Die Durchsetzung kommunaler Feuerwerksverbote wäre eine zusätzliche und unnötige Belastung, von der unklar ist, ob sie leistbar wäre.
Mit der flickenteppichartigen Regelung durch die Kommunen würden starke inter- und intrakommunale Konzentrations- und Verlagerungseffekte eintreten. Zu erwarten wäre nicht etwa, dass Bürger:innen, denen der Brauch des Silvesterfeuerwerks am Herzen liegt, sich von diesem Abwenden, sondern vielmehr, dass sie jene Flächen innerhalb der eigenen Kommune oder ggf. einer benachbarten Kommune aufsuchen, in der das Verwenden von Feuerwerk erlaubt ist. Die Folge davon wäre nicht etwa die Reduktion des verwendeten Feuerwerks, wohl aber die Konzentration des Feuerwerks auf bestimmte Flächen. Die Konsequenz wäre eine unnötige und übermäßige Belastung der Anwohner:innen an jenen Orten, an denen die Verwendung von Feuerwerk erlaubt wäre und konzentriert stattfinden würde.
Eine solche durch Konzentrations- und Verlagerungseffekte entstehende Mehrbelastung dürfte mittelfristig zu Beschwerden durch die Anwohner:innen führen, deren Konsequenz das Verbot der Verwendung von Silvesterfeuerwerk auch an jenen Orten wäre. Der bvpk geht davon aus, dass dieser Effekt jenen Akteur:innen, die eine Ermächtigung der Kommunen in Sachen Silvesterfeuerwerk fordern, bewusst ist. Tatsächliche Intention hinter der Forderung einer Ermächtigungsgrundlage für Kommunen wäre demnach das vollständige Verbot von Silvesterfeuerwerk.54
Die aktuelle Formulierung der 1. SprengV erlaubt den Kommunen das Verbot von Silvesterfeuerwerk mit „ausschließlicher Knallwirkung in bestimmten dichtbesiedelten Gemeinden oder Teilen von Gemeinden zu bestimmten Zeiten”. Die Streichung des Teilsatzes mit „ausschließlicher Knallwirkung“, auf die Gesetzgebungsinitiativen der vergangenen Jahre abzielen, würde die Differenzierung zwischen lautem, rein akustischem Feuerwerk und geräuscharmem, buntem Feuerwerk (z.B. Vulkane, Fontänen, „Familienfeuerwerk“) aufheben und den Kommunen erlauben, undifferenziert, anlasslos und ohne jeglichen Zugewinn an Schutz vor Störungen und Gefahren jegliches Feuerwerk zu verbieten. Hinsichtlich des Übermaßverbots kann hierhingehend noch nicht einmal die Geeignetheit eines Verbots erkannt werden.
Gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 12 GG liegt das Mandat für die Gesetzgebung im Waffen- und Sprengstoffrecht ausschließlich beim Bund. Das Sprengstoffrecht sieht Ermächtigungen für Länder und Kommunen ausschließlich in Ausnahmefällen und mit begrenzter Reichweite vor. Die vollständige Delegation der Entscheidungsbefugnis über Silvesterfeuerwerk an die Kommunen wäre präzedenzlos und ihre Grundgesetzkonformität ist mindestens fraglich. Mit entsprechenden Klageverfahren wäre zu rechnen.
Der Einsatz von Feuerwerkskörpern [...] ist ein Ausdruck von Lebensfreude und sollte daher nicht generell untersagt werden. [...] Es kommt darauf an, die Bevölkerung zu sensibilisieren und für einen verantwortungsvollen Umgang mit Feuerwerk zu werben. Allein durch Verbote und gesetzliche Einschränkungen wird man nicht weiterkommen.
Dr. Gerd Landsberg, DStGB-Hauptgeschäftsführer 201955
Weitere Einschränkungen der Verwendung von Feuerwerkskörpern der Kategorie F2 zum Jahreswechsel sind weder geeignet, erforderlich noch angemessen, um andere Rechtsgüter in ausreichendem Maße zu schützen. Vielmehr würden weitergehende Beschränkungen den bestehenden Interessenausgleich zwischen jenen Teilen der Bevölkerung, für die Feuerwerk eine wichtige Tradition und Kulturpraktik bedeutet und jenen, die sich durch Feuerwerk gestört fühlen, aufheben.
Anstelle weiterer Beschränkungen spricht sich der bvpk für folgende Maßnahmen aus.
Konsequentes Vorgehen gegen Verstöße des SprengG. Hierzu zählt insbesondere eine effektive Verfolgung des illegalen Handels mit Feuerwerk der Kategorien F3 und F4, aber auch der missbräuchlichen Verwendung von Feuerwerk der Kategorien F2 und anderer Kategorien (s. Abschnitt 2). Der bvpk verweist hierzu auf die Empfehlungen der Europäischen Kommission sowie die im SprengG bestehenden Sanktionsmöglichkeiten gem. §40 und §41.56
Nutzen der kommunalen Möglichkeiten zur Einschränkung von Silvesterfeuerwerk. Hierzu zählt die Untersagung der Verwendung von Silvesterfeuerwerk in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden oder Anlagen gem. §23 (1) 1. SprengV sowie von Feuerwerkskörpern mit ausschließlicher Knallwirkung gem. §24 (1) Satz 2 1. SprengV. Nach Kenntnisstand des bvpk werden diese Instrumente durch die Kommunen nur punktuell genutzt. Im Übrigen ist §24 (2) Satz 1 1. SprengV aufzuheben. Die dortige Ermächtigungsgrundlage für Kommunen ist hinfällig, weil bereits ein generelles Verbot gem. §23 (1) 1. SprengV besteht.
Auf Ebene der EU wird mit Richtlinie 2013/29/EU die Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Bereitstellung von pyrotechnischen Gegenständen in den Mitgliedsstaaten verfolgt. Durch deutlich restriktivere Maßnahmen als die Richtlinie vorgibt, schert Deutschland aus diesen Bemühungen aus. Dies gilt insbesondere für die zeitliche Beschränkung der erlaubnisfreien Verwendung von Feuerwerk der Kat. F2 auf zwei Tage im Jahr, die bestehenden Sonderregelungen zu Feuerwerkskörpern der Kat. F2 in § 20 1. SprengV, sowie die Einschränkung des Zugangs zu Feuerwerk der Kategorie F3. Eine stärkere Harmonisierung würde dem illegalen Handel und der missbräuchlichen Verwendung von Feuerwerkskörpern aller Kategorien die Grundlage entziehen und Klarheit für Handel sowie Bürger:innen schaffen.
Staatliche Regulierungen sollten stets auf empirisch gewonnener Erkenntnis fußen. Während in den letzten Jahren Fortschritte in der Erforschung der Umwelteinflüsse von Feuerwerk zu erkennen sind, ist die Datenlage hinsichtlich der Verletzungen durch Silvesterfeuerwerk sehr dünn. Dies lässt Raum für Spekulation und “gefühlte Wahrheiten”. Der bvpk regt an, eine umfassende, deutschlandweite Studie zur Erfassung von Verletzungen durch Feuerwerkskörper durchzuführen bzw. von unabhängigen wissenschaftlichen Institutionen durchführen zu lassen. Dies kann beispielsweise durch das Robert-Koch-Institut, das statistische Bundesamt und/oder die statistischen Landesämter, Krankenhausträger und/oder Universitäten erfolgen. Nur so kann über einen eventuellen weitergehenden Regulierungsbedarf entschieden werden.
Der Einsatz von Feuerwerk, auch und insbesondere an Silvester, soll stets unter Einsatz der geltenden Regularien sowie unter Rücksicht auf Mitmenschen und Umwelt erfolgen. Der bvpk regt eine öffentliche Kampagne zur Information über die gesetzeskonforme, sichere und rücksichtsvolle Nutzung von Silvesterfeuerwerk an. Dabei sollten zivilgesellschaftliche Akteure wie Verbände sowie staatliche Stellen wie z.B. die Bundesanstalt für Materialprüfung und -forschung (BAM) eingebunden werden. Der bvpk ist bereit, seine Expertise in Zusammenarbeit mit anderen Akteur:innen einzubringen.
1Richtlinie 2013/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung pyrotechnischer Gegenstände auf dem Markt, ABl 2013 L 178/27
2Sprengstoffgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. September 2002 (BGBl. I S. 3518), das zuletzt durch Art. 18 des Gesetzes vom 27. Juli 2021 (BGBl. I S.3146) geändert worden ist
6vgl. § 23 (2) 1. SprengV, vgl. § 24 (1) 1. SprengV
9Stephan Gabriel Haufe, Pressesprecher BMU auf der Bundespressekonferenz vom 6. Januar 2020 ab etwa 01:07
11European Comission: Executive Summary for the Study on illegal sales of pyrotechnic articles destined for professional users (category F4) to the general public - Executive summary
12VGH Kassel, Urteil vom 13.05.2016, Az.: 8 C 1136/15.N, NVwZ-RR 2016
1320191021_Rechtsgutachten_KF.pdf (feuerwerk-vpi.de)
14Rechtsgutachten zu kommunalen Möglichkeiten der Beschränkung des Abbrennens pyrotechnischer Gegenstände an Silvester
1520211129_positionspapier_covid_feuerwerk.pdf (bvpk.org)
16Das Umweltbundesamt bezifferte 2017 die Feinstaubemissionen durch Feuerwerk auf fast 5.000t/Jahr und korrigierte dies 2019 auf rund 2.000t/Jahr (davon etwa 75% durch Silvesterfeuerwerk). Die Korrektur ist Ergebnis einer genaueren Messmethode sowie Berechnungen auf Basis der Mengen tatsächlichen verbrauchten Feuerwerks. Die entsprechende Studie wurde gemeinsam von VPI und UBA wissenschaftlich publiziert.
17Während die vermeintlich hohen Feinstaubemissionen über mehrere Jahre Hauptargument für Einschränkungen von Silvester- feuerwerk war, erfährt die Korrektur der Werte keine erkennbare Rezeption durch jene Akteure, die eine Änderung der Regulierung von Feuerwerk fordern. So berufen sich z.B. kommunale Anträge von B90/Grüne (z.B. Drucksache - 0023/XXI - Berlin ) noch immer auf die zu hohen Zahlen, die 2019 in einer entsprechenden Bundestagsinitiative genannt wurden und auch die Deutsche Umwelthilfe kolportiert wider besseren Wissens die überholten Zahlen über ihre Kanäle in den sozialen Medien (z.B. DUH Facebook ).
18Umweltbundesamt (2021): Zum Jahreswechsel: Wenn die Luft „zum Schneiden“ ist. Dessau-Roßlau
19Deutsche Presseagentur (2021): Feuerwerk-Absage: Jahres-Feinstaubbelastung kaum verändert
20Eigene Berechnung auf Basis der Messwerte des Umweltbundesamts
22Bundesamt für Materialforschung und -prüfung (o. J.): Sicheres Silvesterfeuerwerk. Gefahren erkennen und Unfälle vermeiden. Berlin
23Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk (2021): Verletzungen durch Feuerwerk. Berlin
24Verletzungen durch Silvesterfeuerwerk werden an keiner Stelle im Gesundheitssektor laufend erfasst, obgleich dies notwendige Voraussetzung für eine Bewertung des Verletzungspotentials durch Silvesterfeuerwerk wäre.
25Deutsche Presseagentur: Zoll: Immer mehr Profiböller in Laienhä nden
27Jens Blankennagel (2022): Böllerverbot: Charité-Mitarbeiter spricht von „reiner Symbolpolitik“ (Berliner Zeitung).
30Stefanie Riemer (2019): Not a one way road - Severity, progression and prevention of fireworks fears in dogs, in: PLoS ONE / Band 14 / Heft 9 ; Shamoun-Baranes et al. (2011): Birds flee en mass from New Year’s Eve fireworks, in: Behavioral Ecology / Band 22 ; Bögel et al. (1998): Die Reaktion der Herzfrequenz auf Silvesterfeuerwerk bei einem freifliegenden Gänsegeier, in: Ökologie der Vögel / Band 20 / Heft 2
31Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk (2021): Fakten über Feuerwerk. Zum ökologischen Fußabdruck von Feuerwerk
32Ebd.
34DIN EN 15947-5:2016-02, Pyrotechnische Gegenstände - Feuerwerkskörper, Kategorien 1, 2 und 3 - Teil 5 und Verordnung 125/2012/EU der Europäischen Kommission vom 14. Februar 2012
35Dauert et al. (2022): Feinstaubemissionen aus Feuerwerk zu Silvester und deren Einfluss auf die Luftqualität. In: Gefahrstoff.Reinhaltung der Luft 82, Heft 1-2
37Sievernich (1990): Das Buch der Feuerwerkskunst Farbenfeuer am Himmel Asiens und Europas. Nördlingen; Das Pfingstfeuerwerk 1379 im italienischen Vincenza gilt gemeinhin als das erste seiner Art in Europa.
38Szabo (2015): Sozioanalyse des Alltags. Marburg; Das erste Feuerwerk in Deutschland wurde 1506 zu Ehren von Kaiser Maximilian I. in Konstanz geschossen.
39z.B. die Fallas de Valencia (Spanien), Tultepec (Mexiko), Osterfest auf Chios (Griechenland), Prapheni Bun Bang Fai (Thailand), Diwali (Indien)
42Bundesministerium des Innern und für Heimat (2022): Bericht des BMI für die 217. IMK vom 1. bis 3. Juni 2022 in Würzburg zum Thema „Mehr Gestaltungsspielräume für Kommunen hinsichtlich des Umgangs mit Silvesterfeuerwerk”
44Ebd.
49z.B. in Hamburg: Stopp der Drohnen-Show an der Elphi: Immer noch Unklarheiten und Lichtshow an der Elphi: Drohnen-Angriff oder eigene Fehler?
50Beispielhaft seien die Firmen "JGW Berckholtz UG" , die Fritz Sauer Kunstfeuerwerk KG und die im Frühjahr 2022 gegründete Feuerwerk Kultur Fabrik GmbH genannt.
51Antrag - Kommunen eine rechtssichere Entscheidung über Silvesterfeuerwerke ermöglichen , Entwurf einer Dritten Verordnung zur Änderung der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz>
52Konkret wird gefordert, den Halbsatz “mit ausschließlicher Knallwirkung” aus § 24 Absatz 2 Nummer 2 1. SprengV zu streichen. Damit würde die Möglichkeit der Kommunen, Feuerwerk auch zu Silvester zu verbieten, von Knallkörpern auf alle Feuerwerkskörper ausgedehnt werden.
53Deutscher Städtetag - Künftiger Umgang mit Silvesterfeuerwerken , Deutscher Städte- und Gemeindebund - kein Pauschalverbot für private Silvesterfeuerwerke , Städte- und Gemeindebund hoff auf Silvester ohne Feuerwerksverbot
54So fordert z.B. die deutsche Umwelthilfe ein vollständiges Verbot von Feuerwerk auch jenseits von Silvester (Umwelthilfe will Feuerwerksverbot – heftiger Widerspruch) und auch der aktuelle Wirtschaftsminister Robert Habek zeigte sich noch Ende 2021 offen für ein grundsätzliches Verbot von Silvesterfeuerwerk (Böllerverbot bringt keinen gravierenden Umwelteffekt)
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