Feuerwerk und Pyrotechnik sind ein breites Forschungsfeld, das mehrere wissenschaftliche Disziplinen umfasst, von Naturwissenschaften bis hin zu Geistes- und Sozialwissenschaften. Während mache Teilbereiche von Feuerwerk als umfassend beforscht gelten können, klaffen an anderen Stellen große Forschungs- und Evidenzlücken.
Der bvpk regt unabhängige Forschung zu Feuerwerk an und versucht diese durch das Bereitstellen von Wissen und die Vernetzung von Akteuren zu fördern. Er ist dabei offen für Kooperationen mit Universitäten, Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen, unabhängig Forschenden sowie Kulturinstitutionen und Behörden.
Langfristig wird der Aufbau eines globalen Forschungsnetzwerks und eines Journals angestrebt. Interessierte sind eingeladen unter research@bvpk.org Kontakt aufzunehmen.
Als Pyrotechnik verstehen wir das Wissenssystem und die Praktiken um Explosivstoffe mit geringer Wirkung (low explosives). Dies schließt deren Verwendung für Feuerwerk ein, ist jedoch nicht darauf beschränkt.
Als Feuerwerk bezeichnen wir das Wissenssystem und die Praktiken der Verwendung von Explosivstoffen mit geringer Wirkung für zivile, künstlerische und kulturelle Zwecke. Dabei pflegen wir ein holistisches Verständnis von Feuerwerk als Kulturtechnik, das eine Vielfalt verschiedener Gegenstände und Bereiche einschließt. Dazu gehören:
Daraus resultiert ein breites Spektrum an Forschungsdesiderata und möglichen Projekten. Einige davon werden wir in Zukunft hier skizzieren. Die Beschreibungen hegen nicht den Anspruch umfänglicher Research Proposals, sondern stellen eine erste Annäherung an den Gegenstand dar.
Hintergrund
Das neue Jahr mit Lärm und Feuer zu begrüßen, war bereits im vorchristlichen Europa weit verbreitetet. In den frühmittelalterlichen Agrargesellschaften sollten so Krankheiten, Missernten und anderes Unglück vertrieben werden. Auch gegen den Willen der Kirchen bestanden diese Reinigungsrituale weiter fort. Mit der Einführung des Schwarzpulvers im 13. Jh. von Asien nach Europa, fanden Feuerwerkskörper Eingang in das Lärmbrauchtum. Die Verwendung von Kleinfeuerwerk bei Volksfesten im deutschsprachigen Raum ist erstmals für das späte 15 Jh. nachgewiesen.
Die geschichts- und kulturwissenschaftliche Literatur zum Thema Feuerwerk konzentriert sich vor allem auf dessen Funktion zur Selbstinszenierung des Adels zwischen dem 16 und 18 Jh. Die frühen Formen des Silvesterfeuerwerks sind bislang kaum erforscht.
Forschungsfragen
Methodische Ansätze
Von besonderem Interesse sind dabei Recherchen in öffentlichen und kirchlichen Archiven zur Herstellung, Verwendung und Handel mit Kleinfeuerwerk insbesondere von Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts.
Zur Annäherung
Hintergrund
Ab dem späten 14. Jahrhundert integrierte der europäische Adel Feuerwerke in die höfische Festkultur. Ihre Blütezeit erlebten die feudalen „Lustfeuerwerke“ in Renaissance und Barock (16. – 18. Jh.). Sie dienten vorwiegend der Inszenierung der Herrschenden. Mit dem Niedergang des Absolutismus ab dem späten 18. Jahrhundert und der industriellen Revolution fand eine schrittweise Aneignung des Feuerwerks als Medium der Inszenierung durch das Bürgertum, Kunstschaffende und die Schaustellerzunft sowie die Arbeiterklasse statt. Spätestens mit der Globalisierung nach dem zweiten Weltkrieg wurde Feuerwerk für weite Teile der Bevölkerung in Deutschland, unabhängig von Einkommen, sozialem Status oder Geschlecht, verfügbar und erschwinglich.
Dennoch ist die Partizipation verschiedener gesellschaftlicher Milieus an Groß- und Silvesterfeuerwerken bis heute unterschiedlich ausgeprägt. Auch der kulturelle Stellenwert verschiedener Formen des Feuerwerks wird kontrovers diskutiert.
Strukturelle Gründe für die Teilhabe am und die normative Bewertung des „Feuerwerkens“ wurden bislang nicht erforscht. Ebenso wenig, die diskursive Verhandlung über die Deutungshoheit von Feuerwerk als Kulturgut.
Erkenntnisinteresse
Methodische Ansätze
Methoden der empirischen Sozialforschung; insbesondere aus intersektionalen, konstruktivistischen und machtkritischen Perspektiven.
Zur Annäherung
Hintergrund
Wie bei jeder Verbrennung entstehen bei der Verwendung von Feuerwerkskörpern Staubemissionen. Ein Teil dieses Staubes ist atemwegs- bzw. lungengängig. Seit 2018 stehen die Auswirkungen dieses Feinstaubs auf die menschliche Gesundheit verstärkt im Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen und öffentlicher Diskussionen. Nachdem Keller und Schragen (2021) sowie Dauert et al. (2022) nachwiesen, dass frühere Schätzungen der absoluten Feinstaubmenge aus Feuerwerkskörpern deutlich zu hoch waren, ist der aktuelle Stand der Forschung: Der Anteil von Feuerwerk am insgesamt emittierten Feinstaub eines Jahres in Deutschland beträgt 1%. Rund 70% davon entfallen auf das Silvesterfeuerwerk; 30% auf Groß- und Amateurfeuerwerke zu anderen Gelegenheiten. In urbanen Ballungszentren kommt es in den ersten Stunden nach dem Jahreswechsel zu erhöhten Feinstaubkonzentrationen von, je nach Wetterlage, unterschiedlicher Dauer.
Dennoch bestehen weiterhin bedeutende Wissenslücken, die eine abschließende Bewertung der gesundheitlichen Relevanz von Feinstaub aus Feuerwerk unmöglich machen: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie die Gesetzgebung der EU und Deutschlands formulieren für kurzfristige Feinstaubkonzentrationen unter 24 Stunden keine Grenzwerte. Ebenso wenig differenzieren die bestehenden Grenzwerte zwischen verschiedenen Stäuben, ihrer Biobeständigkeit und chemischen Beschaffenheit. Verlässliche Daten zu Hospitalisierungen aufgrund von Atemwegserkrankungen an Silvester und Neujahr sind nicht öffentlich verfügbar.
Forschungsfragen
Methodische Ansätze
Aerosolwissenschaftliche Feinstaubmessungen sowie biologische und chemische Analysen von vorhandenen Datensätzen. Statistische Auswertung medizinischer Datensätze bspw. zu Hospitalisierungen.
Zur Annäherung
Hintergrund
Feuerwerkskörper unterliegen in Deutschland aufwändigen Sicherheits- und Qualitätskontrollen durch die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und vergleichbare Institutionen in der Europäischen Union. Dennoch kommt es insbesondere zum Jahreswechsel immer wieder zu Verletzungen.
Auch nach zwei Jahreswechseln mit Verkaufsverboten von Silvesterfeuerwerk aus Gründen der Verletzungsprävention im Kontext der Covid19-Pandemie existiert keine systematische Erfassung von Verletzungen mit Feuerwerk durch das Gesundheitswesen. Dies erschwert eine realistische Beurteilung des Gefahrenpotenzials durch Öffentlichkeit und Politik sowie die Identifizierung angemessener Maßnahmen zur Reduzierung von missbräuchlicher Verwendung und Unfällen. In den vergangenen Jahren sind unterschiedliche Fallstudien und Schätzungen erschienen, die sich auf spezifische Kliniken oder Verletzungsarten fokussieren. Sie deuten auf etwa 2-3 Verletzungen pro 100.000 Einwohner:innen hin, stellen jedoch keinen Bezug zu den insgesamt während des Jahreswechsels auftretenden Hospitalisierungen her. Auch Rückschlüsse auf die Begleitumstände der dokumentierten Verletzungen durch Feuerwerkskörper sind bislang kaum möglich.
Forschungsfragen
Methodische Ansätze
Interdisziplinäre Forschung von Medizin und Pyrotechnik mit Methoden der empirischen Sozialforschung und sowie statistische Analyse medizinischer Sekundärdaten.
Zur Annäherung
Der BVPK beabsichtigt, eine umfassende Datenbank wissenschaftlicher Publikationen zu Feuerwerk aufzubauen und die entsprechenden Inhalte so weit wie möglich frei verfügbar zu machen. Die Datenbank soll online zur Verfügung stehen, nach Möglichkeit mit offener Software umgesetzt werden und kompatibel mit gängigen Literaturverwaltungsprogrammen wie Citavi oder EndNote sein.
Bei diesem Vorhaben freut sich der Verband über Unterstützung sowohl beim Gestalten der Software-Lösung als auch bei der umfassenden Literaturrecherche selbst. Neben anderen Möglichkeiten der Zusammenarbeit ist dies z.B. im Rahmen eines Praktikums möglich. Bei Interesse melden Sie sich gerne bei uns via research@bvpk.org.
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