Wissenschaft und Forschung

Forschung zu Feuerwerk

Feuerwerk und Pyrotechnik sind ein breites Forschungsfeld, das mehrere wissenschaftliche Disziplinen umfasst, von Naturwissenschaften bis hin zu Geistes- und Sozialwissenschaften. Während mache Teilbereiche von Feuerwerk als umfassend beforscht gelten können, klaffen an anderen Stellen große Forschungs- und Evidenzlücken. 

Der bvpk regt unabhängige Forschung zu Feuerwerk an und versucht diese durch das Bereitstellen von Wissen und die Vernetzung von Akteuren zu fördern. Er ist dabei offen für Kooperationen mit Universitäten, Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen, unabhängig Forschenden sowie Kulturinstitutionen und Behörden. 

Langfristig wird der Aufbau eines globalen Forschungsnetzwerks und eines Journals angestrebt. Interessierte sind eingeladen unter research@bvpk.org Kontakt aufzunehmen. 

Der Forschungsgegenstand

Als Pyrotechnik verstehen wir das Wissenssystem und die Praktiken um Explosivstoffe mit geringer Wirkung (low explosives). Dies schließt deren Verwendung für Feuerwerk ein, ist jedoch nicht darauf beschränkt. 

Als Feuerwerk bezeichnen wir das Wissenssystem und die Praktiken der Verwendung von Explosivstoffen mit geringer Wirkung für zivile, künstlerische und kulturelle Zwecke. Dabei pflegen wir ein holistisches Verständnis von Feuerwerk als Kulturtechnik, das eine Vielfalt verschiedener Gegenstände und Bereiche einschließt. Dazu gehören: 

  • Das Wissen um die Herstellung, Verarbeitung und Verwendung von Explosivstoffen mit geringer Wirkung (low explosives), z.B. zu Feuerwerkskörpern 
  • Die Techniken, also die Handwerkskunst sowie die spezifischen Methoden und Verfahren zur Herstellung, Verarbeitung und Verwendung von Feuerwerkskörpern 
  • Die kulturellen Praktiken des Feuerwerks (z.B. die Bräuche und Riten der Verwendung von Feuerwerkskörpern) sowie der kulturelle Kontext, in den Feuerwerk eingebettet ist (z.B. regionale Bräuche und Feste) 
  • Die materiellen Artefakte dieser Praktiken (z.B. Werkzeuge, Orte und Räume der Herstellung und Verwendung von Feuerwerkskörpern, Feuerwerkskörper selbst) 
  • Der künstlerische Kontext (materielle Ausdrucksformen, die zur Sinnstiftung im jeweiligen kulturellen und gesellschaftlichen Kontext beitragen) 
  • Der politische Kontext (Policy Making mit Bezug auf Feuerwerk) 
  • Die Einzelpersonen, Gruppen und Gemeinschaften, die diese Aspekte von Feuerwerk praktizieren, umsetzen, durchführen, bewahren und das Kulturgut Feuerwerk tragen. 

Mögliche Forschungsvorhaben

Daraus resultiert ein breites Spektrum an Forschungsdesiderata und möglichen Projekten. Einige davon werden wir in Zukunft hier skizzieren. Die Beschreibungen hegen nicht den Anspruch umfänglicher Research Proposals, sondern stellen eine erste Annäherung an den Gegenstand dar.

Historische Genese des Silvesterfeuerwerks

Hintergrund

Das neue Jahr mit Lärm und Feuer zu begrüßen, war bereits im vorchristlichen Europa weit verbreitetet. In den frühmittelalterlichen Agrargesellschaften sollten so Krankheiten, Missernten und anderes Unglück vertrieben werden. Auch gegen den Willen der Kirchen bestanden diese Reinigungsrituale weiter fort. Mit der Einführung des Schwarzpulvers im 13. Jh. von Asien nach Europa, fanden Feuerwerkskörper Eingang in das Lärmbrauchtum. Die Verwendung von Kleinfeuerwerk bei Volksfesten im deutschsprachigen Raum ist erstmals für das späte 15 Jh. nachgewiesen.

Die geschichts- und kulturwissenschaftliche Literatur zum Thema Feuerwerk konzentriert sich vor allem auf dessen Funktion zur Selbstinszenierung des Adels zwischen dem 16 und 18 Jh. Die frühen Formen des Silvesterfeuerwerks sind bislang kaum erforscht. 

Forschungsfragen

  • Wann wurden Feuerwerkskörper im deutschsprachigen Raum erstmals zur Feier des Jahreswechsels verwendet?
  • Welche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen begünstigten das Silvesterfeuerwerk als technische und soziale Innovation?  
  • Wie waren Produktion und Handel des dafür verwendeten Kleinfeuerwerks organisiert?
  • Lassen sich bei der Nutzung von Kleinfeuerwerk zu Silvester soziale und geographische Transferprozesse identifizieren?

Methodische Ansätze

Von besonderem Interesse sind dabei Recherchen in öffentlichen und kirchlichen Archiven zur Herstellung, Verwendung und Handel mit Kleinfeuerwerk insbesondere von Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts.

Zur Annäherung

  • Lotz, Arthur (1978): Das Feuerwerk. Seine Geschichte und Bibliographie. Zürich (Edition Olms) (ISBN: 9783283000103)
  • Werrett, Simon (2010): Pyrotechnic Arts and Sciences in European History. Chicago/London (ISBN: 9780226893778)
Feuerwerk und Macht

Hintergrund

Ab dem späten 14. Jahrhundert integrierte der europäische Adel Feuerwerke in die höfische Festkultur. Ihre Blütezeit erlebten die feudalen „Lustfeuerwerke“ in Renaissance und Barock (16. – 18. Jh.). Sie dienten vorwiegend der Inszenierung der Herrschenden. Mit dem Niedergang des Absolutismus ab dem späten 18. Jahrhundert und der industriellen Revolution fand eine schrittweise Aneignung des Feuerwerks als Medium der Inszenierung durch das Bürgertum, Kunstschaffende und die Schaustellerzunft sowie die Arbeiterklasse statt. Spätestens mit der Globalisierung nach dem zweiten Weltkrieg wurde Feuerwerk für weite Teile der Bevölkerung in Deutschland, unabhängig von Einkommen, sozialem Status oder Geschlecht, verfügbar und erschwinglich. 

Dennoch ist die Partizipation verschiedener gesellschaftlicher Milieus an Groß- und Silvesterfeuerwerken bis heute unterschiedlich ausgeprägt. Auch der kulturelle Stellenwert verschiedener Formen des Feuerwerks wird kontrovers diskutiert. 

Strukturelle Gründe für die Teilhabe am und die normative Bewertung des „Feuerwerkens“ wurden bislang nicht erforscht. Ebenso wenig, die diskursive Verhandlung über die Deutungshoheit von Feuerwerk als Kulturgut. 

Erkenntnisinteresse

  • Gibt es milieuspezifische Symboliken von Feuerwerk sowie damit einhergehende ästhetische und akustische Präferenzen?
  • Welche strukturellen Barrieren begünstigen bzw. verhindern die Teilhabe verschiedener gesellschaftlicher Gruppen am Feuerwerk?
  • Welche diskursive Rahmung erhalten unterschiedliche Formen des Feuerwerks im Hinblick auf ihren kulturellen Stellenwert?

Methodische Ansätze

Methoden der empirischen Sozialforschung; insbesondere aus intersektionalen, konstruktivistischen und machtkritischen Perspektiven. 

Zur Annäherung 

Feinstaub aus Feuerwerk

Hintergrund

Wie bei jeder Verbrennung entstehen bei der Verwendung von Feuerwerkskörpern Staubemissionen. Ein Teil dieses Staubes ist atemwegs- bzw. lungengängig. Seit 2018 stehen die Auswirkungen dieses Feinstaubs auf die menschliche Gesundheit verstärkt im Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen und öffentlicher Diskussionen. Nachdem Keller und Schragen (2021) sowie Dauert et al. (2022) nachwiesen, dass frühere Schätzungen der absoluten Feinstaubmenge aus Feuerwerkskörpern deutlich zu hoch waren, ist der aktuelle Stand der Forschung: Der Anteil von Feuerwerk am insgesamt emittierten Feinstaub eines Jahres in Deutschland beträgt 1%. Rund 70% davon entfallen auf das Silvesterfeuerwerk; 30% auf Groß- und Amateurfeuerwerke zu anderen Gelegenheiten. In urbanen Ballungszentren kommt es in den ersten Stunden nach dem Jahreswechsel zu erhöhten Feinstaubkonzentrationen von, je nach Wetterlage, unterschiedlicher Dauer. 

Dennoch bestehen weiterhin bedeutende Wissenslücken, die eine abschließende Bewertung der gesundheitlichen Relevanz von Feinstaub aus Feuerwerk unmöglich machen: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie die Gesetzgebung der EU und Deutschlands formulieren für kurzfristige Feinstaubkonzentrationen unter 24 Stunden keine Grenzwerte. Ebenso wenig differenzieren die bestehenden Grenzwerte zwischen verschiedenen Stäuben, ihrer Biobeständigkeit und chemischen Beschaffenheit. Verlässliche Daten zu Hospitalisierungen aufgrund von Atemwegserkrankungen an Silvester und Neujahr sind nicht öffentlich verfügbar.  

Forschungsfragen

  • Wie lang ist die durchschnittliche Permanenz von erhöhten Feinstaubkonzentrationen zum Jahreswechsel? Welche durchschnittliche Expositionszeit ist anzunehmen?  
  • Über welche Eigenschaften verfügt Feinstaub aus Feuerwerken hinsichtlich dessen Biobeständigkeit und chemischer Zusammensetzung?
  • Lassen sich adäquate Grenzwerte für kurzzeitig hohe Feinstaubkonzentrationen wie zum Jahreswechsel definieren?
  • Sind zum Jahreswechsel signifikant mehr Hospitalisierungen aufgrund von Atemnoterkrankungen nachweisbar?

Methodische Ansätze

Aerosolwissenschaftliche Feinstaubmessungen sowie biologische und chemische Analysen von vorhandenen Datensätzen. Statistische Auswertung medizinischer Datensätze bspw. zu Hospitalisierungen.

Zur Annäherung

  • Dauert et al. (2023): Silvesterfeuerwerk: Einfluss auf Mensch und Umwelt. Dessau-Roßlau (Umweltbundesamt) (DOWNLOAD)
  • Dauert et al. (2022): Feinstaubemissionen aus Feuerwerk und deren Einfluss auf die Luftqualität. In: Gefahrstoffe 82, Nr. 1-2 (DOI: 10.37544/0949-8036-2022-01-02)
  • Keller, Fritz und Schragen, Christian (2021): Determination of Particulate Matter Emission Factors of Common Pyrotechnic Articles. In: Propellants, Explosives, Pyrotechnics 46, S. 1-19 (DOI: 10.1002/prep.202000292)
  • Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk e.V. (Hrsg.) (2021): Zum ökologischen Fußabdruck von Feuerwerk. Berlin (DOWNLOAD)
Verletzungen durch Feuerwerk

Hintergrund

Feuerwerkskörper unterliegen in Deutschland aufwändigen Sicherheits- und Qualitätskontrollen durch die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und vergleichbare Institutionen in der Europäischen Union. Dennoch kommt es insbesondere zum Jahreswechsel immer wieder zu Verletzungen.  

Auch nach zwei Jahreswechseln mit Verkaufsverboten von Silvesterfeuerwerk aus Gründen der Verletzungsprävention im Kontext der Covid19-Pandemie existiert keine systematische Erfassung von Verletzungen mit Feuerwerk durch das Gesundheitswesen. Dies erschwert eine realistische Beurteilung des Gefahrenpotenzials durch Öffentlichkeit und Politik sowie die Identifizierung angemessener Maßnahmen zur Reduzierung von missbräuchlicher Verwendung und Unfällen. In den vergangenen Jahren sind unterschiedliche Fallstudien und Schätzungen erschienen, die sich auf spezifische Kliniken oder Verletzungsarten fokussieren. Sie deuten auf etwa 2-3 Verletzungen pro 100.000 Einwohner:innen hin, stellen jedoch keinen Bezug zu den insgesamt während des Jahreswechsels auftretenden Hospitalisierungen her. Auch Rückschlüsse auf die Begleitumstände der dokumentierten Verletzungen durch Feuerwerkskörper sind bislang kaum möglich.

Forschungsfragen

  • Welchen Anteil haben Feuerwerksverletzungen an den gesamten Hospitalisierungen zum Jahreswechsel?
  • Welche Rückschlüsse lassen sich auf den Anteil nicht als Silvesterfeuerwerk zugelassener Feuerwerkskörper (Kategorie F3 und F4) daran ziehen?
  • Welche Empfehlungen lassen sich zur Aufklärung der Öffentlichkeit und zur Prävention ziehen?

Methodische Ansätze

Interdisziplinäre Forschung von Medizin und Pyrotechnik mit Methoden der empirischen Sozialforschung und sowie statistische Analyse medizinischer Sekundärdaten. 

Zur Annäherung

  • Diederich et al. (2023): Pyroverbot Silvester 2020 & 2021 – Analyse von feuerwerksbedingten Verletzungen der letzten 12 Jahre. In. Laryngorhinootologie 2023; 102(09): 675-684 (DOI: 10.1055/a-2016-8672) 
  • Werz et al. (2023): New Year's Eve in otorhinolaryngology: a 16-year retrospective evaluation. In: European Archives of Oto-Rhino-Laryngology (2023) 280:3453–3459 (DOI: 10.1007/s00405-023-07966-2)
  • Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk (Hrg.) (2021): Verletzungen durch Feuerwerk. Berlin (DOWNLOAD)

Literatur

Der BVPK beabsichtigt, eine umfassende Datenbank wissenschaftlicher Publikationen zu Feuerwerk aufzubauen und die entsprechenden Inhalte so weit wie möglich frei verfügbar zu machen. Die Datenbank soll online zur Verfügung stehen, nach Möglichkeit mit offener Software umgesetzt werden und kompatibel mit gängigen Literaturverwaltungsprogrammen wie Citavi oder EndNote sein. 

Bei diesem Vorhaben freut sich der Verband über Unterstützung sowohl beim Gestalten der Software-Lösung als auch bei der umfassenden Literaturrecherche selbst. Neben anderen Möglichkeiten der Zusammenarbeit ist dies z.B. im Rahmen eines Praktikums möglich. Bei Interesse melden Sie sich gerne bei uns via research@bvpk.org.

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