5. November 2024
Der bvpk begrüßt das kuratorische Projekt zum Thema Feuerwerk an der Kunstbibliothek. Gleichzeitig bedauert der Vorstand dessen unterkomplexe und einseitige Ausrichtung. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz reproduziert überkommene Ausstellungspraktiken, indem sie die Trägerschaft lebendigen Wissens gezielt ausschließt. Gleichzeitig gewährt sie einem fachfremden und kulturpolitisch aggressiv agierenden Partner weitreichenden Eingriff. Die Kunstbibliothek gerät damit zur Kampagnenplattform, statt eine komplexe akademische Auseinandersetzung mit einem ambivalenten gesellschaftlichen Phänomen zu wagen.
Mit der Ausstellung „Durchgeknallt und Abgebrannt” liefert die Kunstbibliothek eine unterkomplexe und überwiegend negative Darstellung der Feuerwerkerei. Darauf weist der Vorstand des Bundesverbands für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk e.V. in einem ausführlichen Brief an die Direktion der Kunstbibliothek hin (siehe unten). „Feuerwerk ist eine vielgestaltige Kulturtechnik, die Millionen Menschen fasziniert, sich stetig erneuert und über eine breite und diverse Trägergemeinschaft verfügt”, kommentiert Ingo Schubert als Vorstandsmitglied. Die Ausrichtung der Schau durchkreuzt die in den Leitlinien der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) formulierten Werte, indem sie eine lebendige Kulturpraktik musealisiert sowie eine ganze Trägerschaft lebendigen Wissens ignoriert und aus der Verhandlung ausschließt. „Die Kuration der Schau scheint hier abgekoppelt von der Komplexität gesellschaftlicher Realitäten zu agieren. Sie stellt dabei eigene ästhetische Präferenzen über eine tiefergehende akademische Auseinandersetzung. Das verhandelte Sujet wird zur Untoten erklärt, sorgsam unter Glas verschlossen und die Trägergemeinschaft des kulturellen Erbes ausgesperrt”, so Schubert. „Das ist ein Schlag ins Gesicht von tausenden Menschen, die heute an der Schnittstelle von Handwerk, Kunst und Wissenschaft die Kulturtechnik des Feuerwerks praktizieren und nicht nur ästhetisch, sondern auch mit Blick auf ökologische Standards und Minimierung ihres Umwelteinflusses, weiterentwickeln. Ein gelungenes Ausstellungsprojekt wirkt als epistemologisches Sonarsystem, das den Tiefenraum von Geschichte, Gegenwart und Zukunft gesellschaftlicher Praktiken auslotet und dadurch den Möglichkeitshimmel neuer Erkenntnisse aufspannt. Dass Ausstellung und Kunstbibliothek zur Kampagnenplattform eines einzelnen Akteurs geraten, unterminiert die ernsthafte akademische Auseinandersetzung mit einem vielschichtigen und ambivalenten gesellschaftlichen Phänomen”, sagt Ingo Schubert.
Feuerwerk erfreut sich in seinen vielfältigen Formen auch heute einer enormen Beliebtheit. Mit dem 18. Jahrhundert emanzipierte sich die „Lustfeuerwerkerei” zu kulturellen Zwecken als eigenständiges Handwerk von der militärischen Pyrotechnik, der „Ernstfeuerwerkerei”. Bis heute wohnt ihr als friedliche und künstlerische Nutzung des Schwarzpulvers - im Gegensatz zu dessen tödlicher, militärischer Verwendung - ein pazifistisches Ethos inne. Kunstfeuerwerk war über Jahrhunderte Insignie von Macht und Herrschaft und durchlebte mit dem 19. und 20. Jahrhundert eine weitere Emanzipation: Mit Kleinfeuerwerk zum Selberzünden schwand das feudale Privileg und erfährt seither seine Demokratisierung. Dennoch markiert Feuerwerk einen Moment der Ausnahme und bleibt für Laien an 364 Nächten im Jahr verboten. Zum Jahreswechsel wird Feuerwerk für eine einzige Nacht im Jahr zum Massenphänomen. „Einmal im Jahr selbst die Funken sprühen zu lassen, birgt für viele Menschen eine ganz besondere Faszination. Mit dem individuellen und dennoch kollektiven Feuerwerk zum Jahreswechsel entsteht in einer hochgradig individualisierten Gesellschaft ein sozialer Resonanzraum”, erklärt Schubert. „Feuerwerk bedeutet das kurze Durchbrechen der Hegemonie des Zweckrationalen spätkapitalistischer Gesellschaftsformationen. Für einen Moment wird mit den Paradigmen von Effizienzdenken, Pragmatismus und Ruhegebot gebrochen. Diese kurze, kollektive Ausnahme kommt in allen Kulturen weltweit vor und ist von hohem gesellschaftlichem Wert”, so Schubert. „Bei Verbotsforderungen geht es nicht um Umwelt- oder Gesundheitspolitik. Vielmehr handelt es sich um radikale, puritanistisch geprägte Kultur- und Ordnungspolitik, die jeden Moment der Ausnahme zugunsten vollkommender Ruhe ausmerzen möchte”. Das gesellschaftliche Phänomen Feuerwerk bedarf insbesondere in akademischen Institutionen einer vielschichtigeren Diskussion. Die Chance darauf versäumt die Kunstbibliothek spektakulär, indem sie sich jeglicher gesellschaftswissenschaftlichen Betrachtung des Phänomens verschließt.
Statt eine akademisch anspruchsvolle Verhandlung unter Einbindung der relevanten Akteure zu wagen, entscheidet sich die Kunstbibliothek für politische Kampagnenarbeit: Premiumpartner der Ausstellung ist mit der „Deutschen Umwelthilfe” (DUH) eine fachfremde Organisation, die seit 2018 eine aggressive Kampagne gegen Feuerwerk unterhält. Diese ist geprägt von einem äußerst offensiven Wording und der damit einhergehenden Stigmatisierung von Millionen Menschen, für die Feuerwerk eine liebgewonnene und friedliche Tradition bedeutet. Ob Luftreinhaltung oder Gesundheitssystem: Expert:innen verschiedener Bereiche widersprechen dem vom Kampagnenapparat der „Deutschen Umwelthilfe” (DUH) erweckten Eindruck über Feuerwerk seit Jahren immer wieder. „Die Organisation verfügt in Sachen Feuerwerk über keinerlei tiefergehende Fachkenntnisse und blamiert sich immer wieder mit eklatantem Unwissen über den Gegenstand. Zugunsten einer stark emotionalisierten Kommunikationsstrategie werden wissenschaftlich gesicherte Tatsachen ignoriert oder im Tenor gar bis in ihr Gegenteil verkehrt”, sagt Ingo Schubert. „Mit der DUH räumt die Kunstbibliothek einem fachfremden Akteur, der durch polemische Kampagnenarbeit und Verzerrung des Stands der Forschung auffällt, weitreichenden Eingriff in die Ausstellung und ihr Rahmenprogramm ein. Gleichzeitig wird die Trägergemeinschaft des verhandelten Gegenstands ausgeschlossen. Sowohl aus akademisch-kuratorischer Perspektive als auch aus Sicht der Trägergemeinschaft des Kulturgut Feuerwerk ist das hochgradig problematisch”, so Schubert.
Der Vorstand des bvpk wandte sich mit verschiedenen Angeboten zur Unterstützung der Ausstellung und Mitgestaltung des Rahmenprogramms frühzeitig an die Kuration der Ausstellung. Diese Bemühungen liefen ins Leere, sodass sich der Vorstand schriftlich an die Direktion der Kunstbibliothek wandte. In der Folge lädt diese Vertreter:innen der Trägergemeinschaft des Kulturgut Feuerwerk zu einer Podiumsdiskussion ins Kulturforum ein (Details siehe unten). „Wir nehmen die Einladung dankend an und freuen uns auf den Austausch. Gleichzeitig ist klar: Ein solitäres Feigenblatt-Podium vermag wenig an der vernichtend einseitigen Gesamtausrichtung der Schau zu ändern”, schließt Schubert.
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