3. Januar 2025
Im Nachgang der zurückliegenden Silvesternacht berichteten verschiedene Medien über eine Inversionswetterlage und „extreme Feinstaubwerte jenseits der Grenzwerte“ (bspw. MDR, Spiegel Online). Tatsächlich wurden unmittelbar nach dem Jahreswechsel 2024/25 an mehr Orten erhöhte Feinstaubkonzentrationen gemessen als im Vorjahr. Wir haben uns die vom Umweltbundesamt (UBA) bereitgestellten Daten des deutschen Luftmessnetzes genau angeschaut.
Als Feinstaub bezeichnet man feste und flüssige Schwebepartikel bis zu einem Durchmesser von 10 µm (PM10). Sie stammen aus natürlichen (bspw. Pollen, Pilzsporen, Meersalz, Saharastaub) und menschengemachten Quellen (bspw. Energie-, Bau- und andere Industrien, Straßenverkehr, Holzfeuerung) sowie aus Reaktionen verschiedener Gase, die ihren Ursprung meist im Straßenverkehr und in der Landwirtschaft haben. Das UBA spricht bei einer Konzentration von bis zu 35 μg/m3 von „guter Luftqualität“. Im Jahresdurchschnitt liegt die Feinstaubkonzentration im städtischen Hintergrund bei etwa 15 µg/m³ und kann als „städtische Grundbelastung“ bezeichnet werden.
Die gesundheitliche Relevanz von Feinstaub hängt neben der Partikelgröße vor allem von dessen Beschaffenheit ab. Besonders problematisch sind kleine und biobeständige Partikel. Diese lagern sich im innerhalb des Körpers ab und tragen zu Atemwegs-, Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen bei. Größere und wasserlösliche Partikel werden von spezialisierten Reinigungszellen, den sogenannten Alveolarmakrophagen, verarbeitet, abtransportiert und letztendlich vom Körper ausgeschieden. Das wohl bekannteste Beispiel für einen gesundheitlich problematischen Feinstaub-Typus ist Ruß, der bei der Verbrennung kohlenstoffhaltiger Materialien (Kraftstoffe, Holz, Kohle, Tabak, etc.) entsteht.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellt fest, dass für eine genaue Beurteilung der verschiedenen Feinstäube und ihrer gesundheitlichen Auswirkung zu wenig wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Ein Grund dafür sind die hohen Kosten spezialisierter Messtechnik. In Abwesenheit detaillierter Kenntnisse über die Wirkungen verschiedener Feinstäube, rät die WHO vorsorglich dazu, insbesondere dauerhaft hohe Konzentrationen, aller Feinstäube grundsätzlich zu vermeiden.
Vor diesem Hintergrund definiert die deutsche Gesetzgebung zwei Grenzwerte für Feinstaub in der Außenluft die sich ausschließlich auf die Größe der Staubpartikel (PM10) beziehen: 50 μg/m3 im Tagesmittel und 40 μg/m3 für das Jahresmittel. Diese liegen geringfügig höher als die von der WHO empfohlenen Richtwerte, 45 μg/m3 im Tagesmittel und 15 μg/m3 für das Jahresmittel. Aus genannten Gründen wird dabei angenommen, dass verschiedene Staubarten unterschiedlichen Ursprungs und Beschaffenheit identische Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Bei einer Überschreitung der Grenzwerte über den Zeitraum von 24 Stunden bzw. 365 Tage wird von einer gesundheitlichen Gefährdung ausgegangen.
Für Arbeitsplätze gilt hingegen der weitaus weniger strenge Allgemeine Staubgrenzwert (AGW) von 1.250 µg/m³. Dieser bezieht sich auf wesentlich kleinere biobeständige Stäube ohne spezielle toxische Wirkung mit einem Durchmesser von bis zu 3 µm (PM3) sowie einen Zeitraum von 8 Stunden.
Die Effektsätze von Feuerwerkskörpern bestehen vor allem aus Kaliumnitrat, Schwefel, Holzkohle und verschiedenen Metall-Nitrat-Verbindungen. Diese reagieren unter hohen Temperaturen miteinander und erzeugen dabei die gewünschten visuellen bzw. akustischen Effekte. Wie bei jeder Verbrennung entsteht dabei Staub. Da neben der Holzkohle kaum kohlenstoffhaltige Materialien zum Einsatz kommen, besteht dieser Staub überwiegend aus wasserlöslichen, also nicht biobeständigen, Salzverbindungen (s. Keller & Schragen 2021).
Da es bei Feuerwerken nur sehr kurz zu erhöhten Feinstaubkonzentrationen kommt, sind die oben genannten Grenzwerte zur Beurteilung etwaiger gesundheitlicher Auswirkungen nur bedingt aussagekräftig. Wissenschaftliche Untersuchungen zu solchen Auswirkungen bei hohen Feinstaubkonzentrationen über wenige Stunden sind jedoch selten. Grenzwertempfehlungen für ein Stundenmittel existieren nicht. Mit Blick auf den Jahreswechsel 2024/25 nutzen wir daher im Folgenden zwei verschiedene Referenzpunkte: 50 μg/m3 als „erhöhte Werte“ in Anlehnung an den 24-Stunden Grenzwert sowie 35 μg/m3 als „gute Luftqualität“ in Anlehnung an den Luftqualitätsindex des UBA.
In der ersten Stunde nach Mitternacht maßen knapp über die Hälfte der rund 360 Stationen des deutschen Luftmessnetzes Konzentrationen über 50 μg PM10-Staub/m³. Die durchschnittliche Feinstaubkonzentration zu diesem Zeitpunkt lag mit 135 µg/m³ bedeutend niedriger als der auf Basis der letzten 12 Jahreswechsel mit Feuerwerk erwartbare Wert von um 200 µg/m³ (s. Abbildung 1). Extrem hohe Stundenmittelwerte von 1.000 µg/m³ und mehr wurden an nur drei Stationen gemessen und stellten somit eine klare Ausnahme dar.
Abbildung 1: Durchschnittliche Stundemittelwerte der PM10-Konzentration am 31.12.204 und 01.01.2025 (Darstellung: bvpk; Daten: Umweltbundesamt)
Die Ausprägung der Feinstaubkonzentration am Neujahrsmorgen ist prinzipiell abhängig von den örtlich herrschenden meteorologischen Bedingungen. Im bundesweiten Durchschnitt der vergangenen 13 Jahreswechsel mit Feuerwerk (zu den Jahreswechseln 2020/21 und 2021/22 herrschte während der Covid-19 Pandemie ein Verkaufsverbot für Feuerwerkskörper der Kategorie F2), sinkt die Feinstaubkonzentration um 5 Uhr morgens auf unter 50 µg/m³. Zum vergangenen Jahreswechsel war dies bereits um 3 Uhr morgens, der Fall (s. Abbildung 1). Eine Stunde später konnte eine durchschnittlich gute Luftqualität von unter 35 µg/m³ verzeichnet werden. In einigen Großstädten Süddeutschlands wurden bis in den Neujahrstag hinein erhöhte Stundenmittelwerte im niedrigen dreistelligen Bereich gemessen (s. Karte am linken Bildrand). Verantwortlich hierfür war eine bereits vor Silvester bestehende Inversionswetterlage, welche den gewöhnlichen Luftaustausch, und damit den Abtransport des Feinstaubs aus Feuerwerken und anderen Quellen, verhinderte. Mit Ausnahme der betroffenen Orte (1-2% aller Stationen) war die Luft bei Sonnenaufgang, wie üblich, wieder rein.
Der Grenzwert für den Tagesdurchschnitt von 50 µg/m³ wurde an 33 Stationen (davon 28 in Bayern oder Baden-Württemberg) überschritten. Bei rund 360 Stationen entspricht dies weniger als 10%. Die an diesen Stationen gemessenen Überschreitungen des Grenzwerts kommen, mit wenigen Ausnahmen, durch die Konzentrationsspitzen in den ersten Stunden des Jahres zustande (s. oben). Eine dauerhafte Überschreitung, über 24 Stunden hinweg, besteht in der Regel nicht. Rund 80% der Stationen mit Überschreitung des Grenzwerts für das Tagesmittel liegen in städtischem Gebiet. Dies zeigt einmal mehr: Feuerwerksfeinstaub ist ein urbanes Phänomen, der ländliche Raum ist so gut wie nicht betroffen (s. Abbildung 2).
Abbildung 2: Überschreitungen des Grenzwerts für das Tagesmittel an Neujahr 2010 - 2025 (Darstellung: bvpk; Daten: Umweltbundesamt)
Im Kontext von Feuerwerken auch an Feinstaub zu denken, ist nicht aus der Luft gegriffen.
In weiten Teilen Deutschlands normalisierten sich die Feinstaubkonzentrationen jedoch bereits weit vor Anbruch des Neujahrstags. Da sich die meisten Silvesterfeiern kurz nach dem Jahreswechsel in Innenräumen abspielen, ist die menschliche Expositionszeit gegenüber erhöhten Feinstaubkonzentrationen aus Feuerwerk grundsätzlich auf einige Minuten bis hin zu wenigen Stunden begrenzt. Da insbesondere konstant hohe Feinstaubkonzentrationen von 24 Stunden und länger als gesundheitlich problematisch zu bewerten sind, empfiehlt auch das Umweltbundesamt kein Verbot des Silvesterfeuerwerks aus Gründen der Luftreinhaltung, sondern befürwortet einen maßvollen Umgang mit Silvesterfeuerwerk sowie feinstaubfreie Alternativen.
Die gesundheitlichen Implikationen von Feinstaub aus Feuerwerk sind unzureichend erforscht und können daher nicht abschließend bewertet werden. Es bestehen Forschungslücken hinsichtlich der Partikelgröße von Feuerwerksfeinstaub sowie hinsichtlich der stofflichen Zusammensetzung und daraus resultierender Fragen nach Biobeständigkeit oder Schädigungspotenzialen den Organismus, auch im Vergleich zu anderen Emissionsquellen von Feinstaub wie die Verbrennung von Kraftstoff, Holz und Tabak oder dem Reifenabrieb aus dem Straßenverkehr.
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