8. Dezember 2024
Vor zwei Wochen hat der Bundesrat über Gesetzesentwürfe zur Änderung des Sprengstoffgesetzes (SprengG) abgestimmt. Unter anderem wurde dabei die bestehende Rechtslage bekräftigt, die den Bürgerinnen und Bürgern zu Silvester gestattet, am 31. Dezember und 1. Januar Feuerwerkskörper der Kategorie F2 zu verwenden.
Das SprengG regelt die Verwendung von Feuerwerk und anderen pyrotechnischen Gegenständen in Deutschland. Wie alle Gesetze ist auch das SprengG dem Zeitgeist unterworfen und hat somit seit seinem ersten Entwurf vielfach Änderungen erfahren. Derzeit arbeitet das Bundesministerium des Innern und für Heimat an einer umfassenden Novellierung des SprengG. In diesem Zusammenhang werden einerseits Forderungen laut, die Verwendung von Feuerwerk weiter einzuschränken, andererseits die diesbezüglichen Regulierungen zu lockern (s. dazu auch die Positionierung des bvpk).
In Mitteleuropa wurde das neue Jahr bereits in vorchristlicher Zeit mit Lärm und Feuer gefeiert. Feuerwerk gelangte Ende des 14. Jh. in den deutschsprachigen Raum und wurde Bestandteil verschiedener Feste – nicht nur des Jahreswechsels. Das am besten dokumentierte Beispiel dafür ist der Schembartlauf, eine Nürnberger Fastnachttradition, die erstmals für das Jahr 1449 belegt ist. Ab dem 15. Jh. wurde Feuerwerk ein Privileg des Adels und diente vor allem der Selbstinszenierung sowie der höfischen Unterhaltung. Als früher Vorläufer des SprengG kann die von Kaiser Karl V. 1533 erlassene „Feuerwerker-Ordnung“ gelten. Mit dem Niedergang des Absolutismus zum Ende des 18. Jh. wurde Feuerwerk nach und nach breiten Bevölkerungsschichten zugänglich: Feuerwerk wurde zunächst zum Statussymbol des Bürgertums, zum Ausdrucksmedium der Schaustellenden und schließlich zum symbolischen Konsumgut der Arbeiterklasse. Zum Jahreswechsel ersetzte es immer mehr das bis dahin übliche Gewehrschießen. Der erste dem bvpk bekannte Nachweis für die Verwendung von Kleinfeuerwerk durch die Allgemeinheit zum Jahreswechsel ist auf das Jahr 1802 datiert.
Seine Blütezeit erlebte die Produktion von Kleinfeuerwerk in Deutschland während der „Goldenen Zwanziger Jahren“. Etwa 200 pyrotechnische Betriebe stellten Feuerwerkskörper zum Selberzünden her, machten dabei weltweit neuartige Erfindungen (bspw. die Reibzündung für Knallkörper und Handfontänen) und exportierten ihre Produkte (insbesondere Tischfeuerwerk) in die ganze Welt. Während des Dritten Reichs dienten Feuerwerke wiederum der Inszenierung von Macht und Herrschaft. Zwei Monate nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde das Feuerwerk zum Selberzünden, mit Ausnahme von Tischfeuerwerk, Knallkorken & Co., von den Nationalsozialisten verboten. Während des Kriegs herrschte für Privatpersonen ein strenges Verwendungsverbot im Freien.
Acht Jahre nach Kriegsende wurden Feuerwerkskörper in der neu gegründeten Bundesrepublik wieder für die Allgemeinheit zugelassen und dabei erstmals in fünf verschiedene Klassen unterschieden. Für die Verwendung der Klassen III, IV und V wurde eine Erlaubnis notwendig, die Klassen I und II blieben erlaubnisfrei. Alle weiteren Regulierungen in Sachen Feuerwerk waren Angelegenheit der Bundesländer. Die Verwendung von Feuerwerk der Klassen II und III (letztere wurde damals offiziell als „Gartenfeuerwerk“ bezeichnet und als Solches beworben) war in weiten Teilen der Republik das ganze Jahr über erlaubt und bei Gartenfesten, Hochzeiten und anderen festlichen Anlässen populär.
Es steht zu vermuten, dass die Verwendung von Feuerwerk zu festlichen Anlässen in den Wirtschaftswunderjahren zunahm. Bis 1969 wurde dies ausschließlich durch die gesetzliche Nachtruhe eingeschränkt. Im Jahr 1969 stimmte der Bundesrat der Einführung eines Überlassungsverbots von Feuerwerk zwischen vom 1. bis 26. Dezember – man wollte damit eine "stille Weihnachtszeit" gewährleisten. Die Einschränkung trat 1970 in Kraft und wurde zwei Mal, 1974 und 1976, auf den Zeitraum 1. November bis 28 Dezember erweitert.
Im Jahr 1976 stimmte der Bundesrat zu, die Regulierungen der Länder zum Umgang mit Sprengstoffen durch ein bundeseinheitliches Gesetz zu ersetzen – es war die Geburtsstunde des Sprengstoffgesetzes (SprengG). Zur Übertragung der diesbezüglichen Gesetzgebungskompetenz an den Bund wurde eine Anpassung des Grundgesetzes notwendig. Beides wurde vom Bundesrat in der 437. Sitzung am 16. Juli unterstützt. Bemerkenswerterweise geschah dies laut des damaligen Bundesinnenministers Werner Maihofer (FDP) aus Gründen der „Bekämpfung des Terrorismus und der Gewaltkriminalität“. Inwiefern in Kleinfeuerwerk verbautes Schwarzpulver bei damaligen Raubüberfällen und Terroranschlägen tatsächlich Verwendung fand, darf bezweifelt werden. Ausschlaggebend dürfte vielmehr das Bestreben nach bundeseinheitlichen Regelungen aus Gründen der Gleichstellung gewesen sein, wie aus der Begründung des Rechtsausschusses es Bundestags hervorgeht:
Aus dem Bundesinnenministerium heißt es damals:
Ein Jahr später, am 14. Oktober 1977, folgte in der 450. Sitzung des Bundesrats die Verabschiedung der Ersten sowie der Zweiten Verordnung zum Sprengstoffgesetz (1. und 2. SprengV) – und damit erstmals die Beschränkung des Gebrauchs von Kleinfeuerwerk auf den Jahreswechsel. Zur Begründung führt das Bundesinnenministerium an:
„Ziel dieses Verbots [der Verwendung außerhalb des 31.12. und des 1.1.] ist es unter anderem, die Lärmbelästigung während des Jahres mit Ausnahme der Sylvesterzeit einzuschränken.“
Das bestehende Überlassungsverbot während der (Vor-)Weihnachtszeit sollte dabei nicht verändert werden. Trotz des neuen Verwendungsverbots war vorgesehen, dass Feuerwerkskörper der Klasse II das ganze Jahr über erhältlich bleiben – mit Ausnahme des Zeitraums 1. November - 28. Dezember. Das Bundesinnenministerium begründete dies wie folgt:
„Gegen die Einführung eines ganzjährigen Vertriebsverbots sprechen folgende Gesichtspunkte: Das Abbrennen solcher Gegenstände vollzieht sich im wesentlichen anlässlich von Gartenfesten, Familienpartys und dergleichen im häuslichen Bereich, zum Beispiel im Hof oder Garten, sodass in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass eine öffentliche Belästigung nicht stattfindet. Außerdem verursachen vereinzelt abgebrannte Feuerwerksartikel keinen gesundheitsschädlichen Dauerlärm mit hohem Geräuschpegel. Das Verbot müsste darüber hinaus weitgehend unwirksam bleiben, da sich die interessierten Personenkreise diese Gegenstände auf andere Weise beschaffen werden, insbesondere durch Einkauf in den vertriebsfreien Zeiten, durch Einfuhr aus dem benachbarten Ausland in denen diese Gegenstände frei erworben werden können, sowie durch zunehmende Eigenherstellung. Infolgedessen lässt sich durch ein solches Vertriebsverbot eine etwaige missbräuchliche Verwendung nicht ausschließen. Im übrigen würde ein ganzjähriges Vertriebsverbot dazu führen, dass die Gegenstände über längere Zeiten in den Haushalten bevorratet und dadurch unerwünschte Unfallgefahren hervorgerufen werden. Auch muss mit zusätzlichen Unfällen bei der Eigenherstellung durch Privatpersonen gerechnet werden.“
Auch der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates wandte sich gegen das auf eine Beschränkung des Vertriebs von Feuerwerkskörpern. Die Begründung lautet:
„Eine Ausdehnung des derzeit vom 1. November bis 28. Dezember bestehenden Vertriebsverbots für pyrotechnische Gegenstände der Klasse II auf praktisch das ganze Jahr erscheint weder aus Gründen des Gefahren- noch des Umweltschutzes erforderlich. Nennenswerte Mißstände, die ein solches Verbot rechtfertigen könnten, sind nicht bekannt geworden. Abgesehen davon würde die Überwachung des Verbots die Polizei- und Ordnungsbehörden mit weiteren nicht unbedingt erforderlichen Aufgaben belasten.“
Auch das vom Bundesinnenministerium initiierte Verwendungsverbot wurde 1977 kontrovers diskutiert. Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats widersprach explizit der neu eingeführten Beschränkung den Jahreswechsel:
„Für ein solches Verbot [Verwendungsverbot zwischen dem 2. Januar und dem 30. Dezember] besteht kein Bedürfnis, da derartige Feuerwerkskörper [der Klasse II] während der übrigen Zeit des Jahres nur in geringem Maße anläßlich von Gartenfesten, Polterabenden und ähnlichen Veranstaltungen verwendet werden und bisher keine nennenswerten Ruhestörungen verursacht haben. Die gegebene Begründung, daß dieses Verwendungsverbot weitgehend mit den zur Zeit geltenden landesrechtlichen Verboten übereinstimmt, trifft in dieser Form z. B. für Nordrhein-Westfalen nicht zu.“
Der Gesetzesentwurf wurde wie vom Bundesinnenministerium entworfen verabschiedet: Das erlaubnisfreie Lustfeuerwerk für Alle wurde auf Silvesterfeuerwerk reduziert (die bereits damals angestrebte Beschränkung des Vertriebs auf die letzten drei Werktage im Jahr erfolgte erst 1987). Der festliche Akt Feuerwerk zu gebrauchen erhielt damit eine neue Konnotation: Der Jahresabschluss bot einen gesellschaftlich akzeptierten Anlass, einmal “über die eigenen Verhältnisse” zu leben und damit die eigenen Leistungen und Entbehrungen zu würdigen. Bereits damals von manchen christlichen Kirchen als „Verschwendung“ gegeißelt, erfüllte das Silvesterfeuerwerk von hier an den Zweck der Belohnung und Kompensation für getane Arbeit, für geleistetes und erlebtes. Der „symbolische Konsum“ von Silvesterfeuerwerk wurde zum Sinnbild dieses kurzzeitigen Ausstiegs aus dem Leistungsprinzip. Der Silvestertag wie auch das Feuerwerk wurden dadurch in ihrem Charakter als „Ausnahmeerscheinungen“ bestärkt und aufgewertet.
Auch in den späteren Jahrzehnten war die Geschichte des SprengG zumeist eine Geschichte der sukzessiven Restriktion. Dies gilt nicht nur die grundsätzlichen Bestimmungen über Vertrieb und Verwendung, sondern auch für die Feuerwerkskörper an sich: Manche Feuerwerkskörper sind mit der Zeit aus dem Gebrauch für die Allgemeinheit ausgeschlossen worden (Knallkörper auf Basis von Blitzknallsatz, Schwärmer), andere wurden in ihrer Effektivität stark begrenzt (Raketen, Knallkörper auf Basis von Schwarzpulver). Eine Ausnahme dazu stellt die Umsetzung der EU-Richtlinien 2007/23/EG und 2013/29/EU dar: Wesentliches Ziel darin war die Angleichung der Sicherheitsanforderungen an Feuerwerkskörper innerhalb der Mitgliedsstatten. Dadurch wurden vereinzelt Satzmengen für bestimmte Feuerwerkskörper erhöht (etwa für das Batterie- und Leuchtfeuerwerk) und der freie Warenverkehr auf dem EU-Binnenmarkt ermöglicht. Der Allgemeinheit steht somit heute eine größere Vielfalt an erlaubnisfreien Feuerwerkskörpern zur Verfügung als jemals zuvor.
Davon unbenommen verfügt Deutschland heute jedoch über eine der strengsten Gesetzgebungen zu Feuerwerk in ganz Europa: Nur sieben von 27 Mitgliedstaaten der EU beschränken die Nutzung von Feuerwerk der Kategorie F2 auf den Jahreswechsel. Anders als in Deutschland gelten in den meisten europäischen Ländern außerdem weitgehend ähnliche Regelungen für die Verwendung von Feuerwerkskörpern der Kategorien F2 und F3. Die europäische Perspektive ebenso wie die historischen Beweggründe für eine bundeseinheitliche Regulierung (Gleichbehandlung der Bürgerinnen und Bürger unabhängig vom Wohn- oder Aufenthaltsort, Vermeidung einer rechtlichen Fragmentierung) der Verwendung von Feuerwerkskörpern durch die Allgemeinheit, gilt es bei der aktuellen Novellierung des SprengG im Blick zu behalten.
[1] Der vorliegende Text zeichnet die Geschichte des SprengG in der Bundesrepublik Deutschland nach. Der bvpk dankt für Hinweise zu historischen Quellen bezüglich der Rechtsgrundlage in der ehemaligen Deutschen Demokratische Republik (DDR) an research@bvpk.org.
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